„Wir haben nicht gedacht, dass so was in Deutschland passiert“

JUGEND Unter den Gegnern des Bahnhofprojektes sind viele junge Menschen. Was sie berichten, dokumentiert die Härte der Polizei. Und ihren Schock darüber

Moritz Freitag, 15, Waldorfschüler: „Als ich mich bei der Schülerdemonstration am Donnerstag mit in die Sitzblockade gesetzt habe, hat mich ein Polizist mit einem Schlagstock in die Seite geschlagen. Ich war im Krankenhaus und habe eine Rippe gebrochen.“

Jacob Keller, 14, Waldorfschüler: „Ich habe eine Faust ins Gesicht mitgekriegt. Und vor mir war ein Opa, der geschlagen wurde und immer hingefallen ist.“

Georg, 16, Waldorfschüler: „Ich bin nicht gegen Stuttgart 21, sondern gegen die unmoralische Haltung der Polizei gegen Kinder und alte Leute. Ich war unter der großen schwarzen Plane, unter die die Polizei Pfefferspray gesprüht hat. Ich wurde blind zu den Sanitätern geführt, die mir ein Auge aufreißen mussten, weil es so verklebt war.“

Luis, 14, Waldorfschüler: „Ich habe auch Pfefferspray unter der Plane abbekommen. Die Polizei hat übertrieben und gezeigt, dass das keine richtige Demokratie ist. Wir haben nicht gedacht, dass so etwas in Deutschland passiert.“

Katharina, 18, Abiturientin: „Ich bin erst seit fünf Wochen dabei. Da bin ich spontan zu einer Demo gegen Stuttgart 21 gegangen, wo eine Aktion von der Jugendoffensive lief. Ich bin, seit ich 12 bin, bei Attac und Greenpeace, aber ich engagiere mich jetzt hier, weil das Projekt Stuttgart 21 undemokratisch ist und ich finde, dass das Geld in die Bildung gehört.“

Lena und Marina, beide 21: „Wir sind gegen Stuttgart 21, weil deswegen unsere Lieblingsclubs geschlossen werden. Das Rocker 33 und die Röhre sind alternative Clubs, wo auch Konzerte stattfinden, und weil sie auf dem Bebauungsgebiet stehen, sollen sie abgerissen werden. Außerdem finden wir die Vorgehensweise der Polizei nicht gut und bleiben auf jeden Fall bei den Protesten dabei. Wir glauben immer noch, dass das Projekt gestoppt werden kann.“

Kevin Klein, 20: „Als ich am Donnerstag per SMS erfuhr, dass die Schülerdemo angegriffen wird, bin ich sofort hingegangen. Das war echt heftig. Ich habe Pfefferspray ins Auge bekommen, es ist immer noch blutunterlaufen. Als ich eine Plane gegen die Wasserwerfer mit festgehalten habe, hat mir ein Polizist mit einem Schlagstock erst voll auf die Hand gehauen, dann hat er meinen Finger so umgebogen, dass ich in die Knie ging. Vorher war ich nicht politisch aktiv und das erste Mal auf einer Demo, als der Nordflügel abgerissen wurde. Dort hat sich mein Wille, etwas dagegen zu tun, noch intensiviert – vor allem die Solidarität untereinander. Auf einmal wurden Taucherbrillen in die Menge geworfen, original verpackt, gegen das Pfefferspray. Als wir alle total durchnässt waren von dem Wasserwerfereinsatz, kamen von irgendwo neue Pullis, die wohl ein Geschäft gespendet hat. Meine Jacke habe ich jemandem geliehen, dem kalt war. Ich bleibe hier so lange, bis die Polizei weg ist. Wir versuchen, es aufrechtzuerhalten, dass keine Steine fliegen, denn damit haben wir unsere Legitimation, auch wenn wir mit Polizeigewalt überrannt werden.“

Fabio, 17, Auszubildender: „Davor hat mich das wirklich nicht interessiert. Aber als ich auf Facebook gelesen habe, dass die Polizei Schüler verprügelt hat, dachte ich, das kann nicht sein. Ich habe in meine Statusmeldung geschrieben: Unsere ganze Regierung muss abgeschafft werden. Dann bin ich zur Großdemo gekommen. Das Ganze hier beeindruckt mich sehr, wie viele Leute für eine Sache einstehen und die Gemeinschaft untereinander. Deswegen habe ich mich in den Verteiler der Jugendoffensive eingetragen. Ich bleibe auf jeden Fall dabei.“

Katja, 16, Mörike-Gymnasium: „Ich bin dabei, weil ich es nicht in Ordnung finde, was die Polizei gemacht hat. Auf der Schülerdemonstration habe ich miterlebt, wie die Polizei auf Schüler losging und auch auf Ältere, obwohl die nur friedlich demonstriert haben. Deswegen gehe ich jetzt zur Jugendoffensive, damit ich etwas dagegen tun kann. Ich will, dass die Bürger gefragt und die Karten offen auf den Tisch gelegt werden.“ PROTOKOLLE: PAMO ROTH