Das war Rio 1992

BERLIN taz | Der von der UNO initiierte „Erdgipfel“ von Rio de Janeiro vom 3. bis 14. Juni 1992 gilt als Meilenstein der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik. Hier trafen sich 108 Staatsoberhäupter, um zum ersten Mal im großen Rahmen international verbindliche Regelungen zu Umwelt- und Entwicklungsfragen festzulegen. In der Euphorie nach dem Ende des Kaltem Kriegs in Europa und der Apartheid in Südafrika träumten 17.000 Gipfel-Besucher von einer „Friedensdividende“ und einem grünen Zeitalter.

Tatsächlich sind die Verträge und Vereinbarungen von Rio weitreichend: Die Staaten einigten sich auf die UN-Klimarahmenkonvention, nach der alles getan werden sollte, um eine „gefährliche menschengemachte Klimaveränderung zu verhindern.“ Sichtbarste Folge: Jährliche Klimakonferenzen und fünf Jahre später das Kioto-Protokoll. Außerdem wurden zwei weitere Konventionen auf den Weg gebracht: Zur Artenvielfalt (Zugang zu genetischen Ressourcen, Biopiraterie) und zur Bekämpfung der Wüstenbildung.

Innerhalb der Konventionen einigten sich die Staaten auf eine unverbindliche Erklärung zur Waldpolitik und auf Prinzipien, die ihr Handeln und die internationale Diplomatie in Sachen Umwelt und Entwicklung leiten sollten: Das „Vorsorgeprinzip“, wonach schon gehandelt werden soll, wenn ein Schaden absehbar ist, sich aber noch nicht realisiert hat; das „Verursacherprinzip“, nach dem Verschmutzer für Umweltschäden aufkommen sollen. Außerdem sollten die Landrechte indigener Völker berücksichtigt werden. Bei der UN wurde eine eigene Kommission für nachhaltige Entwicklung eingerichtet.

Die Erklärung von Rio ist eine Handlungsanweisung für Politik, Unternehmen und Gesellschaft zur Lösung der sozialen und ökologischen Probleme. Sie verweist auf die Basisarbeit von Gemeinden, Städten und Gemeinschaften und fordert sie auf, ihre eigenen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen. Ohne die Basis geht nichts, ist die Erkenntnis von Rio, immerhin von den obersten Regierungsvertretern abgesegnet. Ohnehin beschleunigte sich mit Rio der Aufstieg der Nichtregierungsorganisationen zu aktiven Spielern in der nationalen und internationalen Debatte. Sie sorgten für Transparenz, Fachwissen und halfen, das Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ in der internationalen Politik zu verankern.

Rio hob außerdem die bis dahin bestenfalls regionalen und nationalen Anstrengungen zu Umwelt- oder Sozialproblemen auf die globale Ebene. Klima- und Ressourcenpolitik, Handelsfragen und Entwicklungsgerechtigkeit wurden zunehmend weltweit vernetzt diskutiert. Schließlich stand Rio am Beginn von zwei Jahrzehnten rasanter Globalisierung: Bei Handel, Verkehr, Investitionen, bei den Umweltproblemen und den Migrationsströmen. Das Wissen um diese Probleme und ihre Zusammenhänge ist durch 20 Jahre Forschung massiv gewachsen, die Alternativen etwa bei erneuerbaren Energien sind heute Allgemeinwissen. Darauf will die Konferenz Rio+20 aufbauen.

Eine Bilanz zeigt aber auch deutlich: Fortschritte hat es vor allem auf dem Papier und in den Köpfen gegeben. In der realen Welt allerdings gehen viele Trends bei Umwelt und Entwicklung in die negative Richtung (siehe Karte): Der zunehmende Wohlstand in vielen Teilen der Welt wird erkauft mit einer verschärften Ausbeutung der Natur. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich vertieft; die UN ist auf diesen Gebieten kaum handlungsfähig; der Weg vom Beschließen zum Handeln ist in Fragen von Umwelt und Entwicklung sehr weit und oft eine Sackgasse. BERNHARD PÖTTER