Wenn Anleger ihr Geld von Neu-Delhi nach New York schaffen

FINANZWIRTSCHAFT Seitdem die USA als Anlageplatz wieder attraktiv werden, ziehen Anleger Milliarden aus Brasilien, Indien und anderen Schwellenländern ab

BERLIN taz/rtr/dpa | Die Krise in den Schwellenländern brach erstmals im vergangenen Frühjahr aus. Damals kündigte US-Notenbankchef Ben Bernanke an, dass die Notenbank demnächst aufhören würde, jeden Monat amerikanische Papiere im Wert von 85 Milliarden Dollar aufzukaufen.

Die Anleger verstanden sofort, was diese Nachricht bedeutete: Die langfristigen Zinsen würden in den USA wieder steigen. Die Finanzkrise ist dort weitgehend überwunden, daher ist es folgerichtig, dass die US-Notenbank aus ihrer lockeren Geldpolitik aussteigt. Wenn die Zinsen steigen, ist es wieder lukrativ, in den USA anzulegen.

Prompt kehrten sich die Geldströme nach Bernankes Ankündigung um – und das Kapital floss aus den Schwellenländern in die USA zurück. Aus Brasilien sind 2013 etwa 12,3 Milliarden Dollar abgezogen worden.

Die Kapitalflucht aus Brasilien, Indien, der Türkei oder Südafrika wurde so bedrohlich, dass Bernanke seinen Kurs korrigieren musste. Anders als er angekündigt hatte, wurde die lockere Geldpolitik in den USA zunächst fortgesetzt. Erst im vergangenen Dezember gab es eine kleine Änderung: Seither kauft die Notenbank nur noch langfristige Staatspapiere für 75 Milliarden Dollar im Monat auf.

Absehbar ist, dass die US-Bank ihre Aufkäufe weiter reduziert. Daher kommen die Schwellenländer nicht zur Ruhe. Seit Mai haben der südafrikanische Rand, die indonesische Rupiah und die türkische Lira mehr als 20 Prozent ihres Wertes eingebüßt, weil ausländische Anleger ihr Geld abzogen. Der argentinische Peso fiel gar um 40 Prozent. Die Krise könnte auf weitere Länder überspringen. Als gefährdet gelten Polen, Russland und Mexiko.

Die Kapitalflucht ist für die Schwellenländer bedrohlich, weil sie Defizite im Außenhandel haben und auf ausländisches Geld angewiesen sind. Um die Rupie zu stabilisieren, hat die indische Zentralbank ihren Leitzins am Dienstag um 0,25 Punkte auf 8 Prozent angehoben. In Brasilien liegt der Leitzins bereits bei 10 Prozent. Diese Geldpolitik ist für die Schwellenländer riskant, weil steigende Zinsen die Kredite verteuern und so die Wirtschaft abwürgen.

Die Frage ist, ob die Krise in den Schwellenländern auf die gesamte Welt überspringt. Finanzminister Wolfgang Schäuble kann sogar einen Vorteil erkennen: Die Eurozone sei nicht mehr die Hauptsorge der Finanzmärkte. UH