„Berührungsängste sind ganz normal“

MOBILITÄT Verkehrsexperte Wulf-Holger Arndt bleibt im Streit über Uber gelassen, hält Taxen aber weiterhin für wichtig

■ leitet den Bereich Mobilität und Raum am Zentrum für Technik und Gesellschaft der TU Berlin. Der Ingenieur und Verkehrsplaner beschäftigt sich unter anderem mit den Auswirkungen gesellschaftlicher Trends und nachhaltiger Verkehrsplanung in Megacities.

taz: Ein Taxiunternehmer streitet sich derzeit vor Gericht mit dem privaten Chauffeurdienst Uber. Gehören solche Konflikte zu einer sich wandelnden Mobilität einfach dazu?

Wulf-Holger Arndt: Bei der Einführung von neuen Angeboten oder Verkehrssystemen gab es immer schon Konflikte. Zum Beispiel, als vor 150 Jahren die Bahn entstand. Die Leute hatten Angst, dass die Landschaft verschandelt wird, dass es Unfälle gibt und so weiter. Berührungsängste sind also ganz normal.

Geht es denn hier nur um Berührungsängste? Oder muss man nicht sagen, dass die Klagen berechtigt sind?

Eine Mischung. Beide Seiten müssen sich erst einpendeln, mitunter schießt eine über das Ziel hinaus. Das ist aber normal für den Anfang eines Innovationszyklus.

Also müssen bei einem solchen Wandel immer einige Akteure auf ihre Marktanteile oder Gewohnheiten verzichten?

Wirklich innovative Dienste decken eigentlich Lücken ab, zum Beispiel neu gebildete Bedürfnisse. Daher sehe ich Uber gelassen: Die Preise scheinen ja nicht gerade gering zu sein, und wenn sie dann nicht genau einen Bedarf treffen, verschwindet das Angebot auch wieder vom Markt. Man muss allerdings in diesem Fall auch aufpassen, dass nicht Teile der Daseinsvorsorge kannibalisiert werden.

Inwiefern?

Taxis sind auch ein Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Wenn etwa nachts am Stadtrand ständig ein Bus wartet, um zwei Mal die Woche einen Fahrgast zu transportieren, ist es sinnvoller, da mit Taxis und Gutscheinen zu arbeiten. Dafür haben die Taxiunternehmen die Möglichkeit, das mit guten Geschäften zur Hauptverkehrszeit im Stadtzentrum zu kompensieren.

Wenn nun ein Unternehmen kommt, das den Taxifahrern hier das Geschäft streitig macht, dann haben wir ein Problem, wie wir mit der Daseinsvorsorge umgehen.

Da müsste man also eine Lösung finden.

Genau. Und ich bin eher dafür, neue Lösungen zu finden, als neue Angebote zu verbieten. Abgesehen davon wächst der Markt: Bundesweit ist die Nachfrage nach Taxis in den vergangenen Jahren gestiegen. Das hat auch damit zu tun, dass die Bindung an das eigene Auto schwächer wird. Die gesamte Mobilitätsnachfrage ist gerade im Umbruch. Die wahlweise Nutzung von verschiedenen Verkehrsmitteln, je nach Bedarf, nimmt zu. Das Auto ist nicht mehr das Statussymbol, sondern wird reduziert auf das, was es eigentlich ist: ein Verkehrsmittel. Damit muss man es nicht mehr besitzen, sondern kann es einfach nutzen. Und eine breite Palette an Möglichkeiten, einschließlich der Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten, trägt wiederum dazu bei, dass der Einzelne eher dazu bereit ist, auf das eigene Auto zu verzichten.

Wird der Verkehr damit auch ökologischer?

Ja, weil die Bindung an das eigene Auto reduziert wird. Und ein eigenes Auto ist das ineffizienteste Verkehrsmittel überhaupt, und zwar egal, ob es steht oder fährt. Alle Alternativen dazu sind ökologischer. INTERVIEW: SVENJA BERGT