„Bestehende Knäste müssten umgewidmet werden“

REFORM Künftig könnten Plätze in der Strafhaft fehlen, um mehr Flüchtlinge einsperren zu können, sagt Anwalt Hubert Heinhold

■ 65, Rechtsanwalt in München, ist stellvertretender Vorsitzender von Pro Asyl und des Bayerischen Flüchtlingsrats e. V.

taz: Herr Heinhold, Bundesinnenminister Thomas de Maizière plant ein neues Gesetz zur Abschiebehaft. Welche Folgen hätte das?

Hubert Heinhold: Die Regierung will die Abschiebehaft massiv ausweiten. Wenn ein Flüchtling aus einem anderen EU-Staat nach Deutschland kommt, kann Deutschland ihn unter bestimmten Umständen dorthin zurückschieben. Künftig soll in solchen Fällen grundsätzlich Fluchtgefahr angenommen werden. Dann könnten diese sogenannten Dublin-Flüchtlinge bis zur Rücküberstellung in einen anderen EU-Staat ins Gefängnis müssen. Das kann Monate dauern.

Die Abschiebehaftzahlen könnten sich dann verzehnfachen. Was würde das für die Behörden bedeuten?

Sie müssten die Kapazitäten enorm erweitern. Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass die Unterbringung von Abschiebehäftlingen in normalen Gefängnissen rechtswidrig ist. Die Behörden müssten also künftig bestehende Knäste in Abschiebeknäste umwidmen – so schnell neue zu bauen, ist unrealistisch. Weil Gefängnisse aber in der Regel überfüllt sind, würden in der Folge künftig noch mehr Plätze für Strafhaft fehlen.

Welche Unterschiede gibt es in der Praxis zwischen Strafhaft und Abschiebehaft?

Abschiebehäftlinge haben keine Straftat begangen, die Haft dient nur der Durchsetzung der Abschiebung. Die Häftlinge dürfen dort deshalb in der Regel jeden Tag Besuch empfangen, je 3 bis 4 Stunden vormittags und nachmittags. Sie können sich innerhalb des Knastes frei bewegen, die Zellen sind meist offen, es gibt keine Zwangsarbeit. In der Strafhaft sind die Bedingungen deutlich restriktiver.

INTERVIEW: CHRISTIAN JAKOB