„Sie möchten in der Nachbarschaft bleiben“

RAUM Die einen haben zu wenig Platz, während die anderen – vor allem ältere Menschen – oft in zu großen Wohnungen leben. Der Ausgleich ist aber schwierig, sagt Immobilienexperte Timo Heyn

■ 46, ist Diplomgeograf und Bonner Büroleiter des Beratungsunternehmens empirica, das unter anderem Studien zu Wohnungsmärkten erstellt.

taz: Herr Heyn, in den Ballungszentren finden Paare mit Nachwuchs oft keine größere Wohnung. Gibt es angesichts der hohen Mieten einen Trend zum beengten Wohnen?

Timo Heyn: Wir haben uns mit der Situation von einkommensschwachen Familien in den Städten beschäftigt und festgestellt, dass es große Unterschiede zwischen den einhundert größten Städten gibt: In vielen wachsenden Städten gibt es deutlich zu wenig Mietwohnungen für Familien im Angebot. Es ist anzunehmen, dass gerade in diesen Engpassstädten manche Familien oder Alleinerziehende in einer zu kleinen Wohnung bleiben, auch wenn noch mehr Nachwuchs hinzu kommt.

Könnten sie nicht in andere Bezirke umziehen?

Sicher, sie können herausziehen aus der Stadt. Das haben wir anhand der durchschnittlich verdienenden Familien auch untersucht. Doch da kommt man in den Engpassstädten dann auf lange Fahrzeiten, wenn der Wohnraum nur noch in den Randgebieten bezahlbar ist. Das ist nicht nur schwierig, wenn etwa beide Eltern berufstätig sind, sondern auch, weil die bestehenden sozialen Netzwerke in der Nachbarschaft aufgegeben werden müssen.

Wohlhabende und Ältere leben mitunter in sehr großen Wohnungen. Ist Wohnraum nicht sehr ungleich verteilt ?

Wir beobachten aufgrund der demographischen Entwicklung, dass der sogenannte Remanenzeffekt eine wachsende Rolle spielt – das heißt, ältere Menschen möchten in der gewohnten Umgebung oder dem eigenen Haus, das sie selbst vielleicht einmal gebaut haben, bleiben. Sie wollen auch ihr soziales Gefüge nicht verlieren. Daher nimmt die Quadratmeterfläche pro Kopf in Deutschland zu. Nur sagt diese Durchschnittszahl eben wenig über die Verteilung aus.

Wie lebt man eigentlich allein in einer großen Wohnung oder einem Haus, wenn man die Fläche gar nicht mehr braucht?

Wenn wir die Einfamilienhäuser älterer Haushalte betrachten, wird dort seltener investiert. Uns werden aus den Kommunen immer wieder Erfahrungen geschildert, dass ältere Menschen dann vielleicht sogar nur noch ein Stockwerk bewohnen, manchmal auch nur noch zwei Zimmer regelmäßig beheizt werden, um Kosten zu sparen. Die Leute würden ja vielleicht auch umziehen, aber sie möchten in der gewohnten Nachbarschaft bleiben. Und dort fehlt es meist an kleineren, barrierearmen Wohnungen, zum Beispiel mit einem entsprechend ausgestatteten Bad oder einem Fahrstuhl.

INTERVIEW: BARBARA DRIBBUSCH