Mietshäuser Syndikat

Das Syndikat hat es sich zur Aufgabe gemacht, Immobilien dauerhaft dem Markt zu entziehen

■ Für den 12. 1. 2012 lädt die Initiative Stadt Neudenken alle Partner, Unterstützer und Interessierte zu einem weiterenVernetzungstreffen ein. Es wird darüber beraten, wie ein handlungsfähiges Bündnis für eine neue Liegenschaftspolitik in Berlin aufgebaut werden kann. Um 19 Uhr, Forum Factory, Besselstraße 13.

Im Netz:

www.syndikat.org

www.stadtneudenken.net

Alternative Wohnprojekte haben in der Berliner Innenstadt einen schweren Stand. Da sie einer gewinnbringenden Verwertung im Weg stehen, geschieht es nicht selten, dass ihre Verträge für ungültig erklärt werden und sie ihre Projekträume verlassen müssen. In den letzten Jahren sind auf diesem Wege prominente Projekte wie Liebig14 und Brunnenstraße 183 geräumt worden. Als Nächstes könnte das Kulturprojekt Schokoladen in der Ackerstraße 169 in Mitte an der Reihe sein. Im Dezember 2011 erst verkündete das Berliner Landgericht das Räumungsurteil gegen die BetreiberInnen des Projekts.

Die Schließung weiterer Projekte zu verhindern, das ist die Aufgabe des Mietshäuser Syndikats. Um sie langfristig zu schützen, hat sich das Syndikat eine einfache Lösung ausgedacht: Es versucht die Immobilien gemeinsam mit den BewohnerInnen zu kaufen und den Wiederverkauf vertraglich auszuschließen. „Die Häuser gehören auf Dauer denen, die drin leben, und das Syndikatsmodell verhindert den Marktzugriff“, sagt Enrico, Aktivist der Regional-AG Berlin/Brandenburg des Syndikats.

Die Geschichte des Syndikats beginnt Anfang der 80er Jahre in Freiburg. Der Verein Leben und Arbeiten in der Gretherschen Fabrik hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Gebäude der Grether-Fabrik in der Nähe der Freiburger Altstadt vor dem Abriss zu schützen und dort selbstbestimmte Räume zu schaffen. 1983 gründete sich der Verein Grether Baukooperative, der die sich auf dem Gelände befindliche Maschinenhalle sanieren wollte. Nachdem der Verein fünf Jahre mit der Stadt über einen Kauf verhandelt hatte, konnte er das Gebäude 1988 erwerben. Im Anschluss an den Kauf stellten sich die BetreiberInnen die Frage, wie das Projekt in seiner damaligen Form erhalten werden könne und was mit dem Geld geschehen solle, das durch den Kauf gespart wurde.

Der Verein beschloss einen Solidarfonds einzurichten, mit dem weitere Projekte gekauft werden sollten. In den Fonds sollten diejenigen Projekte einzahlen, denen der Kauf geglückt war und die ähnlich wie das Projekt in der Maschinenhalle weniger Miete zahlen mussten und Geld erwirtschafteten. Um den Fonds in die Tat umzusetzen, wurde 1992 der Verein Mietshäuser in Selbstorganisation gegründet, dessen Name 1993 in Mietshäuser Syndikat geändert wurde.

Nach der Gründung beteiligten sich immer mehr Projekte an dem Fonds. 56 Hausprojekte sind mittlerweile dauerhaft dem Markt entzogen worden. 2003 traten mit der Grünberger 73 und der Oranienstraße 45 die beiden ersten Berliner Projekte dem Mietshäuser Syndikat bei. Elf weitere Projekte aus Berlin und Brandenburg schlossen sich ihnen an.

Der Fonds ist allerdings nur ein Teil der Arbeit des Mietshäuser Syndikats. Darüber hinaus versucht das Syndikat bei der Gründung neuer Hausprojekte zu helfen. Derzeit wird eine Projektgruppe in Lichtenberg unterstützt, die dort ein neues Haus bauen will.

Das Syndikat bietet Beratungen an, zu denen auch Initiativen kommen können, die nicht am Syndikat beteiligt sind: „Unsere Beratungen stellen wir denen zur Verfügung die eine sozialwirksame Idee mitbringen. Die Bildung von Privateigentum unterstützen wir jedoch nicht“, berichtet Enrico.

So vermittelt das Syndikat MieterInnengruppen, die ihr Haus kaufen möchten, weil ihre Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollen, das dafür nötige Know-how. Sollte der Kauf zu teuer sein, leiten die BeraterInnen des Syndikats die MieterInnen an den Mieterschutzverein weiter, der mit ihnen prüft, welche rechtlichen Möglichkeiten sie haben, um gegen die Umwandlung ihrer Wohnungen vorzugehen. „Am wichtigsten ist, dass die Bewohnerinnen und die Bewohner eines Hauses geschlossen agieren und sich nicht einzeln rauskaufen lassen“, sagt Julian, der für das Syndikat Gruppen berät, die selbst organisiert und selbst verwaltet zusammenwohnen wollen.

Das Syndikat interveniert aber auch auf politischer Ebene. Unter anderem beteiligt sich die Gruppe an dem Mitte letzten Jahres gegründeten Bündnis Stadt Neudenken oder steuerte einen Beitrag zum Architektursymposium „Min To Max“ bei.

Der politischen Arbeit liegt folgende Idee zugrunde: die voranschreitende Privatisierung öffentlicher Immobilien und die Steigerung der Mietpreise zu stoppen. „Stadt und Wohnraum sind ein Recht für alle“, kommentiert Julian.

Wer das Mietshäuser Syndikat unterstützen möchte, kann dies auf vielfältige Weise tun: So freut sich das Syndikat über neue Anleger für den Fonds, aber mehr noch über Menschen, die bei den Beratungen aushelfen oder Aktionen unterstützen. Nur wenn viele anpacken, könne der Ausverkauf der Innenstädte gestoppt und bezahlbare Wohn- oder Kulturprojekte dauerhaft erhalten werden, appelliert Enrico. LUKAS DUBRO