Der Pinocchio-Effekt

Am Anfang der Geschichte ist es ja nur ein – immerhin bereits sprechender – Holzscheit, aus dem dann diese bekannte Holzpuppe geschnitzt wird, die in Folge so einige Male von dem abkommt, was man damals wohl als den rechten Weg verstanden hat, und ihrem Schnitzvater einigen Kummer dabei macht. Außerdem ist der Holzpuppe ein ganz eigener Lügendetektor eingebaut: Immer, wenn sie mal wieder lügt, wächst ihre Nase ein beträchtliches Stück. Das ist also die Erzählung von Pinocchio, die gemeinhin als Kinderbuch ausgegeben wird. Was aber doch eine recht eingeschränkte Lektüre darstellt, wie Gerrit Confurius meint, der in seinem Essay „Der Pinocchio-Effekt. Vom Eigensinn des Ich in einer verkehrten Welt“ dazu anregen will, Carlo Collodis Geschichte von der sprechenden Holzpuppe nochmals und neu zu lesen, gerade unter der Fragestellung, warum aus Pinocchio immer nur ein Kinderbuch gemacht wird, wo dieser animierte Holzscheit doch genauso wie Don Quijote als Narr gesehen werden könnte oder als hoffnungsloser Psychopath oder Traumatisierter. Im Charlottenburger Buchhändlerkeller stellt Confurius heute seinen Pinocchio-Essay vor. TM

■ Der Pinocchio-Effekt: Buchhändlerkeller, Carmerstraße 1. Dienstag, 20.30 Uhr. 5/3 €