Das ist wieder mal typisch

Morgen am Samstag wird mit einem Festkonzert im RBB noch einmal an den 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Anwerbeabkommens zwischen der BRD und der Türkei erinnert. Und dass in diesem halben Jahrhundert Migrationsgeschichte seither doch einiges passiert ist, wollte das veranstaltende Berliner Ensemble für klassische türkische Musik wenigstens im Untertitel zu seinem Konzert vermerken: „Vom Gastarbeiter zum Gastgeber“. Gastgeberseits gibt es dann eben türkische Kunstmusik zu hören (die übrigens reichlich Anregungen aus dem Arabischen und Persischen in sich trägt), und bei einer nicht mal sonderlich großen musikalischen Flexibilität würde als einigermaßen typisch deutscher Gastbeitrag durchaus die Musik von Músicas intermináveis para Viagem dazupassen. Weil dieses Gitarren/Schlagzeug-Duo bei seinen Instrumentalausfahrten mit einer pochenden Motorik und den hübsch aneinandergereihten Melodiefragmenten ziemlich präzise solchen Trancemusikspuren folgt, die man gern unter dem Stichwort Krautrock ablegt. Und Krautrock darf doch wohl als genuin deutscher Beitrag zur Musikgeschichte gelten.

Jetzt ist es aber so, dass Músicas intermináveis para Viagem gar nicht aus Deutschland kommen. Sondern aus Brasilien. Was man aber am besten gleich wieder vergisst, weil sich mit dieser Ortskennung in den Assoziationsrahmen sonst sofort andere musikalische Spielarten drängen, und zwar so aufdringlich, dass man sich kaum dagegen wehren kann. Weil die eben als typisch brasilianisch gelten: der elegante Swing der Bossa Nova, die Samba mit der Karnevalsstimmung. Ist hier aber nicht. Selbst wenn Músicas intermináveis para Viagem gleich mit dem ersten Titel ihres neuen, des zweiten Albums eine „Samba von Berlin“ vorschlagen. Was allerdings nur ein Verwirrspiel ist, weil da kein Fitzelchen an Samba oder Bossa oder auch Baile Funk, noch mal so was typisch Brasilianisches, in dieser Musik steckt. Stattdessen geht es eher stracks durch die Düsseldorfer Kö auf der historischen Route von Neu! und La Düsseldorf.

Aber eigentlich kommt das Duo aus Porto Alegre. Brasilien. Und so leicht wird man seine Herkunft nicht los. Im Handel jedenfalls wird dessen Musik gern mit „Latin Music“ verschlagwortet. Wie wenig aussagekräftig dieser Fingerzeig ist, kann man heute Abend im King Kong Klub hören, wenn Músicas intermináveis para Viagem ihr neues Album vorstellen. Und nachgetragen werden müssen noch die Liebesliederwalzer von Johannes Brahms. Die nämlich sind dann der deutsche Beitrag beim oben angeführten Konzert im RBB, gesungen vom Konzertchor Friedenau. THOMAS MAUCH

■ Músicas intermináveis para Viagem: King Kong Klub, Fr, 21 Uhr. 7 €