Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Wir schreiben das Jahr 1979. In Teheran stürzt gerade Schah Reza Pahlevi vom Pfauenthron. Noch gilt die islamische Tonbandkassettenrevolution, die der Ajatollah Chomeini zunächst noch von Paris aus führt, im Westen als Fortschritt. 1979 ist der Schriftsteller Christian Kracht dreizehn Jahre alt. Zwanzig Jahre später wird er die Islamische Revolution aus der Perspektive eines Westlers schildern, der die eigene Kultur als entkräftet und untergangsgeweiht erlebt und auf Partys in Teheran ein letztes Mal dekadent aufflackern sieht. Krachts Protagonist zeigt sich zunehmend fasziniert von der totalitären Macht des islamistischen Wertesystems und erlebt seine Erlösung vom Verhängnis Individualität und Freiheit schließlich in einem Umerziehungslager. Fast schien es, als habe Kracht in diesem Roman die Ohnmacht des Westens vorweggenommen, der 2001, im Erscheinungsjahr von „1979“, mit kopfloser Wucht auf die Anschläge des 11. September in New York reagierte. Unfähig, die eigenen Werte souverän zu verteidigen. Vor inzwischen fast zehn Jahren, also noch einigermaßen dicht am Erscheinungstermin, hat Matthias Hartmann (damals noch Intendant in Bochum), in einer berühmten Inszenierung den Roman für die Bühne adaptiert. Inzwischen auf dem Spielplan des von Hartmann geleiteten Wiener Burgtheaters, ist die Inszenierung am Mittwoch und Donnerstag nun in der Berliner Volksbühne zu Gast. Hingehen! Das Scheitern des Konzepts „Individuum“ ist auch Thema von Andreas Liebmanns Abend „WIR – Ein Solo“. Der Zürcher Performer und Regisseur sucht in seinem neuen Projekt im HAU nach Wegen, die dialektischen Abgründe zu überbrücken, die sich zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft auftun. Und dann ist ja auch noch Ostern, das man nicht zwingend in der Dunkelheit von Zuschauerräumen verbringen muss!

■ „1979“: Volksbühne, Mi.–Do.

■ „WIR – ein Solo.“: HAU 3, ab Mi.