Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Don Carlo Gesualdo di Venosa war ein italienischer Fürst der Spätrenaissance und einer ihrer größten Komponisten. Der meditative Sog seiner Musik wirkt durch die Jahrhunderte bis heute. Darüber hinaus war Gesualdo ein Mörder, der seine Ehefrau und ihren Geliebten sowie die kleine Tochter, deren Vaterschaft für den Eifersüchtigen in Zweifel stand, in einer Nacht grausam ermordete. Eine Art Ehrenmord. So hat dieser Mann die Fantasien immer wieder beschäftigt. Den Filmemacher Werner Herzog etwa, den Gesualdo 1996 zu seinem intimsten Film „Tod für fünf Stimmen“ inspirierte. Nun hat sich der Theaterdokumentarist Hans Werner Kroesinger, dessen feines Ohr selbst noch der trockensten Aktennotiz ihre Musikalität zu entlocken versteht, des mörderisch-musikalischen Fürsten angenommen. Normalerweise sind eher gegenwärtige blutige und von medialem Rauschen unterlegte Konflikte Kroesingers Thema. Nun also eine Reise an die Grenzen der Neuzeit und die Abgründe der menschlichen Seele zu den triebhaften Ursprüngen der Musik: „From Inside“ hat Kroesinger sein Gesualdo-Projekt genannt, das er im Radialsystem mit dem Vocalconsort Berlin realisiert. Und dem Renaissancefürsten einen komponierenden italienischen Fürsten des 20. Jahrhunderts, Giacinto Scelsi, gegenübergestellt. Von ganz anderen und gegenwärtigen Leiden an dieser Welt handelt „Beg your Pardon“, das neue Stück der jungen Dramatikerin (und Kleistförderpreisträgerin) Marianna Salzmann, das Hakan Savas Mican am Mittwoch im Ballhaus Naunynstraße zur Uraufführung bringt. Aber auch hier sind die Grenzen des Wirklichen hermetischer, als man glaubt. Am Samstag kann man sich dann ganz grenzenlos in Berlins Opern- und Theaterlandschaft stürzen: bei der langen Nacht der Opern und Theater nämlich.

■ „From Inside – ein Gesualdo-Projekt“: Radialsystem 30. 4./1.–2. 5.

■ „Beg your Pardon“: Ballhaus Naunynstraße, ab Mi.

www.langenacht.berlin-buehnen.de