„Ich banalisiere nichts“

Ein Österreicher hat den wegen Inzest inhaftierten Josef Fritzl in einem Pop-Art-Bild verewigt. Warum?

FLORIAN NÄHRER, 32, Künstler, Theologe, Lehrer für Bildnerische Erziehung, lebt in St. Pölten

taz: Herr Nährer, warum haben Sie sich ausgerechnet Josef Fritzl als Motiv ausgesucht?

Florian Nährer: Was Josef Fritzl seiner Familie angetan hat, ist grausam, menschenverachtend und zu verurteilen. Es geht mir nicht darum, die Tat zu entschuldigen oder zu relativieren. Wäre ich Amerikaner, gäbe es andere Ikonen des Bösen, die ich als Motiv ausgewählt hätte.

Finden Sie es nicht makaber, einen Mann, der Familienmitglieder Jahrzehnte im Keller eingesperrt hat, in einem Kunstwerk zu verewigen?

Er wurde bereits durch die Medien verewigt, die ihm damit auch ein Denkmal gesetzt haben. Ich habe lediglich seine Öffentlichkeit benutzt und sein Porträt in ein anderes Medium übersetzt.

Ist das nicht eine „Banalisierung des Bösen“?

Das Böse ist böse, ich banalisiere nichts. Ich habe wiederholt gesagt, dass die Tat Fritzls zu verurteilen und abzulehnen ist. Er soll nur ein Extrembeispiel für die Tatsache der Sünde sein. Ich hätte irgendjemand anderen, der etwas Schreckliches gemacht hat, auch porträtieren können. Fritzl hat sich angeboten, weil er aus Niederösterreich ist und in St. Pölten inhaftiert ist, er ist jetzt St. Pöltner. Ein inhaltlicher Aspekt meiner Arbeit ist die Zusage Gottes, jedem unabhängig seiner Taten zu vergeben, aber er muss aus ganzem Herzen bereuen, sonst gibt es keine Vergebung – das ist eine Provokation Gottes, die für uns alle gilt, nicht nur für Fritzl.

Darf Kunst eigentlich alles? Oder gibt es Motive, die Sie nicht malen würden?

Kunst darf alles, was sich im Rahmen der gesetzlichen Legalität bewegt. Warum kritisiert niemand die Zeitungen, die Millionen von Fritzl-Porträts unter das Volk gebracht haben?

Haben Sie schon Reaktionen von Betrachtern bekommen?

Ja, viele positive, aber auch negative. Doch wenn ich die Gelegenheit hatte, meine Position zu erklären, verstanden auch die einfachsten Menschen, worum es mir geht.

Würden sie sich das Bild ins Wohnzimmer hängen?

Nein. Kunst muss per se nicht fürs Wohnzimmer gemacht sein. Man kann sich auch nicht „Judith und Holofernes“ von Caravaggio ins Wohnzimmer hängen, denn die Enthauptung ist zu grausam dargestellt.

INTERVIEW: DÖRTE SCHÜTZ