Die Fitness-Diana

BRÖLLOP Die Schweden interessiert die von den Medien gefeierte „Jahrhunderthochzeit“ kaum

277 oder fast die Hälfte aller akkreditierten ausländischen Journalisten, Fotografen und Techniker kommen aus Deutschland. Das ZDF überträgt viereinhalb Stunden lang die „Krönung einer Liebe“. Die ARD ist da mit einer Dreiviertelstunde „Märchenhochzeit“ schon beinahe bescheiden. Schwedens öffentlich-rechtliches Fernsehen SVT lädt zur „längsten Direktübertragung aller Zeiten“ ein: 14 Stunden. Die Boulevardzeitungen fahren seit Wochen eine Spezialbeilage nach der anderen. Gut ein Dutzend Zeitschriften haben seit Monaten nur noch den „Bröllop“, die Hochzeit zum Thema.

Eine „Jahrhunderthochzeit“ (Bild) steht in Stockholm am Samstag an. Kronprinzessin Victoria heiratet ihren ehemaligen Fitnesstrainer Daniel Westling. Und die Schweden? Scheint das alles wenig zu interessieren. Sonderzüge, die die Bahn in Erwartung einer Reisewelle eingeplant hat, sind nur mäßig gefragt. Und viele Busunternehmen haben ihre Sonderfahrten in die Hauptstadt mangels Interesse gleich ganz abgesagt. Das Geschäft sei „tot wie ein Stein“, sagt eine Branchensprecherin. Nicht sonderlich mehr Buchungen als für ein normales Sommerwochenende melden viele Hotels. Und ob wirklich 200.000 Besucher nach Stockholm gelockt werden und dort die vom Handel schon fest eingeplanten 250 Millionen Euro allein für königliche Souvenirs – von Tassen bis zu Toilettenbürsten – ausgeben, ist fraglich.

Die Republikaner verweisen bereits auf Umfragen, wonach die Unterstützung für das Königshaus stetig sinkt. Zwar will immer noch eine Mehrheit von 56 Prozent die Monarchie behalten, aber vor sieben Jahren waren es noch 68 Prozent. Fürs Abschaffen sind allerdings auch nur 22 Prozent. Das Königshaus lässt sich jeder Schwede jährlich rund 1,30 Euro kosten. Das ist nicht viel im Vergleich zu den norwegischen und dänischen Nachbarn, die dafür sogar rund 6 beziehungsweise 3 Euro löhnen. Aber doch wesentlich mehr als die 37 Cent, die den Deutschen ihr Bundespräsident wert ist – dafür wollen die Schweden auch was sehen von Victoria und dem Jungen aus dem Volk. Daniel aus Ockelbo – klingt das nicht ein wenig wie Diana aus Sandringham? Einige Kommentatoren versuchen, Daniel Westling schon in die Rolle einer männlichen Diana Spencer hineinzuschreiben: Zusammen mit der durchweg beliebten Victoria könne er dem Königshaus zu neuem Schwung verhelfen.

10 Millionen Euro kostet die Hochzeitsfeier die schwedischen Steuerzahler, hat Svenska Dagbladet vorgerechnet. Nicht zuletzt deshalb fordert der Kulturjournalist Per Svensson eine längst überfällige Reform: „eine vollständige Privatisierung“. Das Königshaus könne doch formal das werden, was es jetzt schon sei: ein Familienunternehmen in der Unterhaltungsbranche. „Denn der Staat soll weder Autoproduzenten noch Königshäuser betreiben.“ REINHARD WOLFF