Musical: Generalprobe mit Ralf Hochhuth

Eine taz-Autorin erlebte, wie der Dramatiker im Theater sein eigenes Stück kommentierte. Bei der Aufführung zeigte er sich durchaus redselig.

Ralf Hochhuth: der verlegene Fuchs.

Gespannt sitze ich im weichen roten Polstersitz in der vierten Reihe des Theaters am Schiffbauerdamm, um mir die Generalprobe von Rolf Hochhuths neuem Stück, ein Musical, anzusehen. Da plötzlich kommt der Meister selbst des Weges - und setzt sich genau neben mich. "Saucool", denke ich, "Rolf Hochhuth hat sich neben mich gesetzt."

Der Dramatiker deutet auf das große Bild einer nackten Frau, das auf den geschlossenen Vorhang projiziert ist, und sagt freundlich: "Das ist von Tomi Ungerer!" Das wusste ich nicht, und ich freue mich, dass Herr Hochhuth so nett zu sein scheint. "Sind Sie eigentlich aufgeregt?", möchte ich wissen, denn ich an seiner Stelle wäre sicherlich sehr aufgeregt. "Ja, ein bisschen schon", antwortet er. "Es ist ja das erste Mal, dass ich etwas mit Musik mache. Schauen Sie mal." Er deutet auf eine zierliche Musikerin, die gerade ihr Cello in den Orchestergraben hievt.

"Warum muss sie das schwere Cello denn selbst da hineinschaffen? Dabei könnte ihr doch jemand helfen."

Es geht los. Der Komponist, der auch dirigiert, tritt ein, und Rolf Hochhuth lacht wie ein fröhlicher Kobold: "Der sieht so lustig aus im Frack."

Ich schaue während der Probe nicht ein Mal gelangweilt auf die Uhr. Der Schriftsteller stupst mich immer mal wieder an und gibt teilweise händeringend Kommentare ab: "Die Musik muss viel früher einsetzen! Was ist denn mit dem Lichtwechsel? Das müssen wir ändern. Der Schauspieler klingt unnatürlich. Das ist doch blöd, oder? Finden Sie das nicht blöd? Was machen die denn da? Man sieht ja gar nicht, dass die da grad Wein keltern." Etwas schüchtern sage ich: "Doch, man sieht schon, dass die grad Wein keltern." - "Warum haben die denn grad diese Stelle gestrichen? So versteht man doch die ganze Szene nicht mehr! Ach nein, haha, das kommt ja erst jetzt!" Herr Hochhuth grinst wie ein verlegener Fuchs.

Finale furioso - die Generalprobe ist zu Ende. "Und? Hat es Ihnen gefallen?", fragte jemand aus dem Theaterteam. "Ja, das ist doch sehr schön geworden", antwortet Herr Hochhuth, schenkt mir ein Buch und verabschiedet sich mit Handkuss. Ich bin entzückt. Den letzten Handkuss bekam ich von René Weller. Damals war ich elf und steckte in einem Schlumpfkostüm.

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