Die kleine Wortkunde

Würmer sind mächtig. Sie legen ganze staatliche Infrastrukturen lahm – jedenfalls seit es Computer gibt. Es sind Programme, die sich endlos selbst kopieren, Rechner infizieren und deren Ressourcen ausreizen. Auch die komplexe Schadsoftware „Flame“ ist ein WURM.

Sie kann aber wesentlich mehr als bislang bekannte Würmer, zum Beispiel Spionage-Software installieren. Anders als Computerviren verstecken sich Würmer nicht in Wirtsprogrammen, sondern versuchen Netzwerke direkt anzugreifen, etwa – wie Flame – per Mail. Mittelhochdeutschen Ursprungs, ist „Wurm“ verwandt mit dem lateinischen „vermis“, eine Sammelbezeichnung all dessen, was kreucht und fleucht.

Warum bekam etwas so Erschröckliches wie Schadprogramme den Namen eines Tiers, das als Inbegriff des erbärmlichen Kriechers gilt? Vielleicht weil der Wurm schon viel länger eine Zweitkarriere als gefährliche Bestie macht – als Lindwurm, Ohrwurm, außerirdischer Sandwurm oder jüngst in einem Song als „Werwurm“. Sogar „Tollwürmer“ (furia infernalis) verbreiteten im 18. und 19. Jahrhundert Angst und Schrecken in Skandinavien: Diverse Krankheiten und Todesfälle wurden auf diese (nie gefundene) Wurmart zurückgeführt. Würmer sind also Symbole negativer, invasiver Macht, doch es gäbe eine Möglichkeit zur Umdeutung: „Auch der Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird“, lautet eine Redensart. Was für ein Spin! Der Wurm als Symbol des Aufbegehrens auch des Niedrigsten, als Sinnbild des dritten Standes, ohne den aus der von ihnen gebrochenen Krume nichts wachsen könnte, als Träger der „Unzerstörbarkeit des Humanen“ (Anna Seghers). Würmer, erhebt euch! Ach, habt ihr ja schon. EW