DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Wiederholung der Angst

WAS SAGT UNS DAS? Eine beschädigte Frau, eine öffentliche Therapie. War da nicht was? Bettina Wulff?

Nach Bettina Wulffs Verlautbarung, zusammen mit ihrem Mann Christian einen Paartherapeuten besucht zu haben, waren die Meinungen geteilt. Gehört das in die Öffentlichkeit? Oder war das Ganze nur der geschwätzige Versuch, Anschluss zu finden bei der Gemeinschaft postmoderner Irrer, die sich erst zur Karrierebeschleunigung coachen lassen, um sich dann schnurstracks auf die Ausgebranntencouch zu begeben?

Stellungnahmen von Susanne Preusker zum Fall der Wullfs sind nicht bekannt; dabei wäre sie dazu durchaus berufener als die meisten anderen. Sie ist Psychologin und Psychotherapeutin, hat als Gutachterin bei Gericht gearbeitet. Bis 2009 leitete sie die Sozialpsychiatrische Abteilung der JVA Straubing. Am 7. April des Jahres bittet der Häftling K. sie um ein Gespräch. In zehn Tagen will Susanne Preusker heiraten. K., ein verurteilter Mörder und Vergewaltiger, den Susanne Preusker vier Jahre lang therapiert hat, verbarrikadiert sich mit ihr in ihrem Arbeitszimmer, er hat ein Messer, er knebelt sie, er vergewaltigt sie. Es dauert sieben Stunden, bis sie freikommt. Die bayerische Polizei wartet ab.

Susanne Preusker hat darüber und was danach kam, ein Buch geschrieben („Sieben Stunden im April“, vgl. taz vom 10. 10. 2011). Und heute zeigt der WDR in der Reihe „Menschen hautnah“ den Film „Sieben Stunden Todesangst (20.15 Uhr) über das zweite Leben der Susanne Preusker – im doppelten Sinne. Die Szenen des Films, in denen sich Frau Preusker mit ihrem Mann in der paartherapeutischen Form von „Zwiegesprächen“ auseinandersetzt: Wie die beiden es schaffen, die Atmosphäre unmittelbar nach der Tat, die Vorwürfe, das Schweigen und vor allem die Angst davor zu rekonstruieren, ist beeindruckend. Und hier beginnt dann tatsächlich ein zweites Leben. Keines mit einer Garantie auf glücklichen Ausgang.

Die öffentliche Rede, lernen wir, muss einen wesentlichen Gegenstand haben: Sonst bleibt sie albernes Geschwätz. Man kann Frau Preusker, ihrem Mann und ihrem Sohn dankbar sein. Sie haben es richtig gemacht.

Ambros

Waibel