DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Joko, oh no!

WAS SAGT UNS DAS? Joko belästigt eine Frau, Klaas lacht darüber. Jetzt sind alle empört und zeigen mit dem Finger auf sie

Bock zum Gärtner, Teil 1: Selbst die Bild-Zeitung, Rechtsanwältin jeder Blondine, ist tüchtig empört, weil Joko Winterscheidt in einer am 4. Oktober bei ZDFneo ausgestrahlten „neoParadise“-Sendung einer Frau an Brust und Hintern gefasst und Klaas Heufer-Umlauf sich hernach darüber amüsiert hat.

Bock zum Gärtner, Teil 2: Fast den ganzen Ärger kriegen jetzt die beiden Bengel ab. Als ob sie sonst nur so vor Political Correctness gestrotzt hätten. Als ob sie nicht vor allem wegen ihres Hangs zur scharfzüngigen Rundum-Entwürdigung bis ins ZDF gelobt worden wären. Als ob erst jetzt „eine Grenze überschritten worden wäre“ – ja, natürlich zeugt es von „beleidigendem Schwachsinn“, wie Heufer-Umlauf eilig und entschuldigend twittert, wenn man Versuche zu sexueller Belästigung in Sketchform präsentiert. Und natürlich ist es egal, dass „die Berührungen lediglich angedeutet waren“, wie der Joko-&-Klaas-Arbeitgeber ZDF eilig und entschuldigend hinterhertwittert: Wer eine Pubertätswitzkanone herbeirollt, der muss auch ertragen, dass sie abgefeuert wird. Schließlich haben sich die beiden nicht im „Stipendienprogramm für Gender und Diversity“ kennen gelernt, sondern quatschen sich schon ewig von Privatsender zu öffentlich-rechtlichem Sender und machen sich über Dritte lustig. Nur: Bislang galt das in Fernsehprogrammierer-Kreisen doch immer als jugendaffin? Als quotenrettungstauglich?

Schön wäre es gewesen, wenn die Sendung, die ja mitnichten live ist, einfach nicht ausgestrahlt worden wäre – schließlich schauen eine Menge EntscheidungsträgerInnen vorher drauf. Die gleichen Menschen, die beim Schnitt einen Hupton unter Jokos Grabschversuch legen, damit klar ist, dass man die „Hupen“ einer Frau anpatschen darf, solange es in einem Gag-Zusammenhang steht. Und die Klaas’ verächtlichen Kommentar über Traumata von „Sexual harrasment“-Opfern für angebracht befanden.

Stattdessen konnte sie vor über 10 Tagen laufen, und der glücklicherweise entstandene Shitstorm ist erst jetzt zum Orkan geworden. Er sollte sich über die Senderverantwortlichen ergießen; bei Joko & Klaas selbst wird man nicht viel erreichen können: Ihr Humor ist abonniert auf die These, dass man mit den zarten Political-Correctness-Prämissen umspringen soll, als wären alle Ärsche, die sich danach richten; und dass es unterhalb der Gürtellinie einfach besser knallt.

Aber mit etwas Massel kann der Seximus-vor-laufender-Kamera-Fall vielleicht dazu beitragen, dass das ohnmächtige Dilemma, in dem Frauen in solchen Fällen stecken (spießig/arbeitslos/zickig/frigide zu sein, wenn sie es wagen, sich gegen Übergriffe zu verwehren), wieder ernsthaft diskutiert wird. Es wäre nötig. In einer idealen Welt hätte die Hostess Joko kommentarlos eine rechte Gerade auf die Nase gepfeffert. Klaas hätte sich auch darüber schön beömmelt.

JENNI ZYLKA