DIE WERBEPAUSE
: Ich bin Mehrheit

Es ist lobenswert, wenn sich Starke für Schwache einsetzen. Und es ist einfach. Die Initiative „Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“ macht aus dieser Einfachheit nun etwas Besonderes und inszeniert es – passend zur gerade laufenden „Internationalen Woche gegen Rassismus“ der UN – als eine pompöse, bundesweite Plakatkampagne. „Ich bin Türkin“, hat man der blonden, blauäugigen Schauspielerin Gesine Cukrowski („Der letzte Zeuge“) in großen Lettern neben die ernst dreinschauende Miene geschrieben, und darunter, kleiner: „Wenn du was gegen Türken hast“. TV-Moderator Kurt Krömer („Krömer – Late Night“) macht sich in der gleichenWeise für Juden stark, RBB-Mann Jörg Thadeusz für Schwule, der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) für Migranten.

Man wolle sich Minderheiten zur Seite stellen, man möchte ein „Zeichen gegen Rassismus“ setzen, sagt Rebecca Weiss von „Gesicht zeigen!“ Das ist gut, wahrscheinlich wurde so ein Zeichen tatsächlich Zeit, wenn man das letzte Jahr (NSU, Beschneidungsdebatte) noch mal kurz Revue passieren lässt. Es ist nur schade, dass der irritierende Moment dieser Plakate auf den zweiten Blick relativ zahnlos wird. Weiße, heterosexuelle Menschen haben natürlich kein Problem damit, Gesicht zu zeigen. Sie sind Teil der Mehrheitsgesellschaft, das schützt. Die Toleranz des weißen, heteronormativen Betrachters wird nicht wirklich gefordert, wenn er nur mit seinesgleichen konfrontiert wird. Denn die Menschen auf den Plakaten sagen ja letztlich auch, was sie alles nicht sind: schwul, Migrant etc. Es ist bequem, aus dieser Position heraus zu sprechen – und eigentlich sollte es auch eine Selbstverständlichkeit sein. Nachdenkenswert ist an dieser Kampagne deshalb eigentlich vor allem, dass sie überhaupt nötig ist. ANNA KLÖPPER