DAVID DENK ÜBER FERNSEHEN DER STAR IST DIE SENDUNG – DAS CREDO GILT NICHT MEHR. „TAGESSCHAU“-SPRECHER FÜHLEN SICH MITTLERWEILE ZU HÖHEREM BERUFEN. LEIDER
: Die vorlesenden Selbstoptimierer

Dienstag Deniz Yücel Besser

Mittwoch Matthias Lohre Männer

Donnerstag Ambros Waibel Blicke

Freitag Michael Brake Nullen und Einsen

MontagKübra Gümüsay Das Tuch

Ziemlich nervös dürfte Linda Zervakis heute sein, denn um 20 Uhr präsentiert die 37-Jährige ihre erste Hauptausgabe der „Tagesschau“. Und auch wenn die Deutschgriechin, seit 2006 im Sprecherteam von ARD-aktuell, reichlich Übung im Vorlesen von Meldungen hat, ist diese Premiere mehr als Routine: Die Aufgabe hat sich nicht geändert – doch die Aufmerksamkeit ist bei etwa neun Millionen Zuschauern ungleich größer.

Die jedoch hat ihrem Vorgänger Marc Bator nach 13 Jahren bei der „Tagesschau“ nicht mehr gereicht, sodass er vor Kurzem zu den „Sat.1 Nachrichten“ gewechselt ist und damit Zervakis Platz gemacht hat. Es ist allerdings – vorsichtig ausgedrückt – nicht unwahrscheinlich, dass die Aufmerksamkeit nach Bators Transfer schnell abflaut. Erinnert sich noch jemand an Thomas Kausch? 2004 war der Wechsel zu Sat.1 für den früheren „heute nacht“-Moderator ein Karrieresprung – in die Zweitklassigkeit.

Bator indes läuft sich warm für eine Weltkarriere. Auf seiner Website stellt er sich in vier Sprachen vor. Außerdem brachte er sich ungefragt als Komoderator von Stefan Raabs ProSieben-Polittalk „Absolute Mehrheit“ ins Gespräch. Trotz einiger abschreckender Beispiele – Susan Stahnke! Eva Herman!! – fühlen sich „Tagesschau“-SprecherInnen also immer noch notorisch zu Höherem berufen. Vorbei die Zeiten, als Bildschirmpersönlichkeiten wie Dagmar Berghoff, Werner Veigel oder Wilhelm Wieben das noch als Ehrentitel begriffen – nicht als Job, vielmehr als eine Art Amt, als Verpflichtung bis zur Rente, wenn nicht gar auf Lebenszeit. Fast alle „Tagesschau“-Sprecher versuchen mittlerweile, das enge Korsett des Vorlesers der Nation durch Moderationsnebenjobs im Reich der ARD ein bisschen zu lockern. Die Generation der Selbstoptimierer kann nicht anders.

Der Kontrast zu dem sonst so offiziösen Auftreten der Sprecher irritiert mich als Zuschauer, etwa wenn deren Chef, Jan Hofer, plötzlich eine Unterhaltungsshow im Dritten moderiert, bei den Sprechern selbst leistet diese Aura einer gewissen Selbstüberschätzung Vorschub: Wer „Tagesschau“ kann, kann … eigentlich alles. Dass Bator am Ende seiner letzten „Tagesschau“-Sendung Ende April „gern ein paar persönliche Sätze an die TV-Zuschauer gerichtet“ hätte, zeugt von dieser Hybris. Das Verbot von oben kam wenig überraschend: Der Star ist die Sendung, nicht der Sprecher. Oder noch hochtrabender: Die Institution „Tagesschau“ ist größer als ihre Repräsentanten auf dem Schirm. Und das ist auch gut so, das ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Selbstgewisse Nachrichtenmoderatoren, in deren Riege sich nun auch Bator einreiht, gibt es schon genug.

Ein anderer, der dauergrinsende „Tagesthemen“-Anchorman Tom Buhrow, ist gerade als neuer WDR-Intendant im Gespräch. Die Zeiten, als Kompetenz noch vor Bildschirmpräsenz ging, sind also auch vorbei. Mit diesem Vorschlag haben die „Gremlins“ mal wieder ganze Arbeit geleistet – Einfluss und Einfalt in Personalunion.

Linda Zervakis (und uns Zuschauern) bleibt zu wünschen, dass sie ein paar erfüllende Hobbys hat, denen sie sich in ihrer Freizeit widmen kann.