Kommunikationsprobleme: Ausländer beim Arzt

Zunehmend treten beim Arztbesuch Verständigungsprobleme auf. Die meisten Arztpraxen sind nicht auf fremdsprachige Patienten eingestellt

"Wer den Ultraschall benutzt, hat keine Ahnung." Bild: dpa

"Mein Herz tut weh", sagt der türkische Patient. Der Arzt, froh darüber, überhaupt etwas Deutsches zu hören, macht sofort ein EKG. Doch das Gerät kann nichts am Herzen finden. Erst einige Wochen später stellt sich heraus: Der Mann leidet an einer Magenschleimhautentzündung. Ein Fall von fehlerhafter Kommunikation, wie er typisch ist für den Kontakt zwischen ausländischem Patienten und deutschem Arzt.

Etwa sieben Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit leben in Deutschland, das entspricht knapp neun Prozent der Gesamtbevölkerung. Dementsprechend hoch ist auch der Migrantenanteil unter den Patienten, in Großstädten wie Hamburg und Berlin ist sogar etwa jeder vierte Patient türkischer Herkunft.

Ärzte, Arzthelferinnen und Pflegepersonal sind auf fremdsprachige Patienten jedoch nur wenig vorbereitet. Immer wieder kommt es zu Verständigungsproblemen, die mitunter einen fatalen Ausgang nehmen. So berichtet Nehriman Fahrali, türkische Ärztin mit Praxis in Berlin-Kreuzberg, von einem Pakistani mit Speiseröhrenkrebs, der weder vom Hausarzt noch vom HNO-Spezialisten und Diabetologen diagnostiziert wurde.

"Der Mann konnte eben die typischen Symptome der Krankheit nicht beschreiben", erzählt Nehriman Fahrali, "seine Mimik und Gestik führte die behandelnden Ärzte, die keinen Dolmetscher hatten, in die Irre." Und dadurch ging wertvolle Zeit für die Therapie verloren.

Experten schätzen, dass es allein in den Krankenhäusern in fünf Prozent aller Fälle zu Missverständnissen zwischen Arzt und Patient kommt. Vieles davon ließe sich durch einen qualifizierten Übersetzer verhindern. Doch Dolmetscherdienste für den Gesundheitsbereich werden nur vereinzelt angeboten. Ganz zu schweigen davon, dass sie von den Krankenkassen nicht bezahlt werden müssen - weswegen Ärzte und Patienten gern darauf verzichten. Die Krankenhäuser greifen beim Übersetzen eher auf Familienangehörige oder sogar auf Raumpflegerinnen zurück, mit entsprechend hoher Fehlerquote beim Dolmetschen medizinischer Inhalte.

Erschwerend für den Kontakt zwischen deutschem Arzt und ausländischem Patienten ist auch, dass dabei unterschiedliche Kulturkreise aufeinanderprallen. So ist es für religiöse Muslime unvorstellbar, sich ein Herzklappenimitat vom Schwein einsetzen oder sich als Frauen und Männer von Vertretern des anderen Geschlechts untersuchen zu lassen. Patienten aus den GUS-Staaten interpretieren hingegen, wie die Kölner Dolmetscherin Daria Boll-Palievskaya beobachtet hat, medizinische Geräte "nicht als technischen Fortschritt, sondern als Unfähigkeit der Ärzte. Nach dem Motto: Wer den Ultraschall benutzt, hat keine Ahnung."

Psychisch Kranke genießen gerade in islamischen Kulturkreisen einen anderen Stellenwert als hierzulande, sie werden daher so lange wie möglich zu Hause betreut. Dies ist einerseits positiv, führt andererseits aber auch dazu, dass viele Kranke am Ende zwangseingewiesen werden, weil sie keine Behandlung bekommen haben.

In einem Stuttgarter Krankenhaus bat eine türkische Patientin ihre Ärztin um eine ehrliche Auskunft zu ihrer Krebserkrankung. Die Medizinerin antwortete: "Sie werden bald sterben." Fortan durfte sie das Zimmer ihrer Patientin nicht mehr betreten. Denn nach türkischem Verständnis gehört es sich für einen Arzt nicht, seinem Patienten die ungeschminkte Nachricht vom nahenden Tod zu überbringen.

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