LESERINNENBRIEFE
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Schritt zur Wiedervereinigung

■ betr.: „Der schwäbische Pflasterstein“, taz vom 2./3. 10. 10

Nach zwanzig Jahren gibt es einen weiteren Schritt Richtung Wiedervereinigung. Endlich haben wir auch in Stuttgart unsere eigene Grenzanlage mit allem, was dazugehört. Natostacheldraht, Flutlichtscheinwerfer und Grenzbeamte. Unser Dank geht an Frau Merkel und Herrn Mappus. JÜRGEN LORENZ, Fellbach

Vermummte „Freunde und Helfer“

■ betr.: „Stuttgart 21: Prügel im Schlosspark“, taz vom 1. 10. 10

Ich habe meine kleinen Kinder nicht „instrumentalisiert“, wie sich der CDU-Abgeordnete Rolf Koschorrek auszudrücken pflegte, ich hoffe aber, dass sich meine Kinder nie so verhalten werden wie diese vermummten „Freunde und Helfer“, die das Gewaltmonopol des Staates ins Gegenteil verkehrten und mit völlig unverhältnismäßigen Mittel vorgingen. Dass der Ministerpräsident Stefan Mappus während dieser zynischen Machtdemonstration im Bierzelt auf dem Cannstatter Wasen saß und sich der Innenminister Heribert Rech dort wenige Tage zuvor im bayrischen Sepplanzug verlustierte, ist geschmack- und instinktlos und zeigt, welch Geistes Kinder diese Herren sind. KONRAD BUCK, Herrenberg

Pfefferspray und Blutvergießen

■ betr.: „Hunderte Verletzte in Stuttgart“, taz vom 1. 10. 10

Es ist makaber, in diesen Tagen feiern wir den gewaltfreien Untergang des deutschen Teilstaats DDR, und in Stuttgart setzt eine angeblich christliche Partei und Regierung die Abriss- und Abholzpläne für ein zweifelhaftes Bahnhofsprojekt mit Schlagstöcken, Wasserwerfern, Pfefferspray und Blutvergießen durch. BERTHOLD NOESKE, Freiburg

Mappus’ Bildungsoffensive

■ betr.: „Der schwäbische Pflasterstein“, taz vom 2./3. 10. 10

Am 30. September fand eine angemeldete Schülerdemo für Bildung in Stuttgart statt. Ihre Artikel machen deutlich, was die Herren Mappus, Rech, Strobl et al. unter der geplanten Bildungsoffensive in Baden-Württemberg verstehen. Dies ist zu begrüßen, da es den Wählern schon vor der Landtagswahl im März einen Eindruck davon vermittelt, was eine Regierung Mappus nach der Wahl bieten wird, falls sich die Wähler mehrheitlich für die CDU entscheiden. Die Bildungsoffensive von Mappus scheint mir auf jeden Fall in der Tendenz etwas anderes zu sein, als das, was wir in letzter Zeit von der neuen schicken Kultusministerin zu hören bekamen. Wozu besseres Bildungsklima einfordern, wenn wir viel spannenderes „Law and Order“-Klima haben können? LISSA KAISER, Karlsruhe

Christliches Profil geschärft

■ betr.: „Die Überreaktion der Staatsmacht“, taz vom 2./3. 10. 10

Hurra, endlich haben die christlichen Konservativen ihr Profil wiedergewonnen und in Stuttgart geschärft: Wasserwerfer, Schlagstöcke, Tränengas und Pfefferspray. PETER HERRMANN, Vogach

Vergleichbar mit 1989

■ betr.: „Der schwäbische Pflasterstein“, taz vom 2./3. 10. 10

Seit zwei Tagen bewegen mich die Bilder aus Stuttgart. Ich bin weder ein Befürworter des Bahnprojektes noch ein Gegner, aber ich weiß eines genau: Was hier geschieht, ist ein Umschwung in der deutschen Gesellschaft, der vergleichbar ist mit 1989. Dem Ende der DDR. Die Menschen spüren, dass dieser Staat nicht mehr ihr Staat ist. Er wendet sich gegen sie. Bürokraten, Berufspolitiker und Polizei verstecken sich hinter Floskeln wie „deutsches Recht“, „Protest ist illegal“ oder „Sie sollten sich friedlich vom Platz begeben“. Das waren auch die Worte von Staatssicherheit und Polizei im Jahr 1989. Wenn die Bürger der DDR damals mutlos nach Hause gegangen wären, hätte es eine friedliche Revolution nie gegeben. ROLAND KLAR, Deggendorf

Grausame Bilder

■ betr.: „Hunderte Verletzte in Stuttgart“, taz vom 1. 10. 10

Ich war Mittwochnachmittag im Park, um mit friedlich gegen die Provokation durch die Staatsmacht zu demonstrieren. Hier sollen Tatsachen geschaffen werden – koste es was es wolle. Ich bin geflüchtet, als die Wasserwerfer in unsere Richtung fuhren und Reizgas eingesetzt wurde, um mich und meinen Sohn zu schützen. Die grausamen Bilder gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Unser Innenminister Rech spricht hier von rechtsstaatlichen Mitteln, die verhältnismäßig sind. An diesen Mitteln ist nichts, aber auch gar nichts verhältnismäßig! Die Eskalation geht hier nicht von den Demonstranten aus – es gibt sie nicht, die Radikalen, die Steine schmeißen und Autos anzünden. Das ist hier nicht das Schanzenviertel oder irgendein Chaos-Tag, der dann politisch verurteilt und an den Pranger gestellt wird. Das hier hat wirklich eine breite Basis und dennoch wird hier Polizeigewalt eingesetzt, die durch nichts zu rechtfertigen ist.

Bisher hatte ich eigentlich immer ein ganz gutes Gefühl. Gestern hat sich das geändert. Ich habe gestern gewaltbereite Staatsgewalt erlebt, die den Bürgern massiv Angst machen soll – mit Erfolg wie ich zugeben muss. WIEBKE WALINGEN, Stuttgart