Aigner will schärfere Regeln

DIOXINSKANDAL Die Landwirtschaftsministerin will Futtermittel-Industrie besser kontrollieren

Der Bauernverband schätzt die Verluste auf 40 bis 60 Millionen Euro pro Woche

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

„Dieser Fall muss und wird Konsequenzen haben“, sagte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) am Montag. Das war nach dem Dioxin-Krisengipfel, zu dem sie Manager der Futtermittelindustrie, Vertreter der Landwirte und der Verbraucher nach Berlin geladen hatte.

Gut drei Wochen ist es her, als auffiel, dass mit Dioxin vergiftetes Tierfutter an Höfe in ganz Deutschland geliefert wurde und die unter Krebsverdacht stehende Substanz in Eiern und Fleisch auftauchte. Jetzt geht es um die Frage: Wie wird verhindert, dass Firmen wie Harles und Jentzsch aus Schleswig-Holstein Fett für Futter mit Schmierfett für die Industrie vermengen?

Es „geht zu keiner Zeit Gefahr von deutschen Produkten aus“, betonte Aigner, es handele sich um einzelne Kriminelle. Doch wolle sie Futterfirmen einer „verschärften Zulassungspflicht“ unterwerfen, eine Verbesserung des „Dioxin-Monitoring“ prüfen und die Produktion von Futterfett und Schmierfett für die Industrie EU-weit besser trennen. Und sie plädierte für europäische Vorgaben für Futterzutaten.

Aigners „Konsequenzen“ reichen Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft nicht. Da geht es nicht nur um ein paar „Kriminelle“, sagt er. „Alle Insider mussten sich der Risken bewusst sein.“ Schließlich gebe es immer wieder Futtermittelskandale. Er fordert „Strukturveränderungen“. Statt Verantwortung nach Brüssel und damit auf die „lange Bank“ zu schieben, sagt Jasper, müsse Aigner konkret vorschreiben, dass die Rohstoffe der Futtermittelhersteller regelmäßig auf Dioxin geprüft werden.

Der jetzige Skandal fiel nur durch Zufall auf, ein Kunde der Uetersener Firma hatte den Dioxinfund gemeldet. Harles und Jentzsch hatte staatlichen Prüfern wohl noch im Sommer alarmierende Testergebnisse verheimlicht. Die Politik setzt bisher auf Selbstkontrolle der Unternehmen.

Dioxinchecks kosteten pro Charge zwar 400 Euro, sagt Jasper, eine Lebensmittelkrise verschlinge aber „ein Vielfaches“. Der Bauernverband schätzt die Verluste auf 40 bis 60 Millionen Euro pro Woche. Die Landwirte bleiben auf ihren Eiern und Schnitzeln sitzen. Südkorea zum Beispiel führt kein Schweinefleisch mehr aus Deutschland ein. Zunächst hieß es, auch die Slowakei stoppe die Importe, was sich aber als falsch herausstellte. Wer für Einbußen haftet, ist jedenfalls unklar. Die Quelle der Dioxinbelastungen auch. Laut der Verbraucherorganisation Foodwatch gehen sie auf Rückstände von Pilzgiften zurück, bestätigt ist das aber nicht. Derweil setzt der Deutsche Raiffeisenverband, der die genossenschaftlich organisierten Unternehmen der Ernährungsindustrie vertritt, auf Entspannung.

Er schreibt im aktuellen Rundbrief, es sei zu erwarten, dass „in den nächsten Tagen hoffentlich sehr schnell Entwarnung gegeben werden kann und das Marktgeschehen rasch zum Alltagsgeschäft zurückkehrt“. In wenigen Tagen beginnt die Grüne Woche, die Leistungsschau der konventionellen Landwirtschaft. Man versteht, dass die Branche das dioxinverseuchte Essen bis dahin vom Tisch haben will. Ob das gelingt, ist aber fraglich: Jasper organisiert mit anderen die Demonstration zur Grünen Woche: „Wir haben es satt“, am Samstag, 22. Januar, in Berlin.

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