Starker Widerstand gegen Privatisierung

FINANZKRISE In der zweitgrößten griechischen Stadt, Thessaloniki, wehren sich die Menschen gegen die Privatisierung der staatlichen Wasserwerke – mit unerwarteter Unterstützung und bislang mit Erfolg

ATHEN taz | Bei den jüngsten Maikundgebungen in Griechenland sind die Arbeitnehmervertreter der Wasserbetriebe mit einer Protestaktion nach deutschem Vorbild aufgefallen: „München, Stuttgart, Wien und andere Städte Europas sagen Nein zur Privatisierung der Wasserversorgung – folge ihrem Beispiel“, hieß es auf Plakaten. Demonstranten wurden aufgerufen, bei einer Unterschriftenaktion gegen den „Ausverkauf des Wassers“ mitzumachen. Ähnlich wie in Deutschland befürchten die griechischen Privatisierungsgegner nämlich, dass die Regierung potenziellen Investoren hohe Gewinne auf Kosten der Verbraucher zusichert.

Die Protestaktionen scheinen erfolgreich: Bürgermeister aller politischen Couleur im Großraum Thessaloniki schmieden eine ungewöhnlich starke Allianz gegen die Privatisierungspläne und wollen in Kürze ein entsprechendes Referendum ansetzen. Zudem rufen sie alle Abgeordneten der Regierungsparteien im Wahlkreis dazu auf, Farbe zu bekennen. Nichts würden die Volksvertreter lieber vermeiden. Denn ihre Zustimmung zu den Privatisierungsplänen wäre politischer Selbstmord, während ihre Ablehnung gegen die Parteidisziplin verstieße, gilt doch die Privatisierung der Wasserwerke in Thessaloniki als Testfall für das gesamte Privatisierungsprogramm der Koalitionsregierung unter Führung des Konservativenchefs Antonis Samaras.

Gegen Privatmonopol

Klare Worte findet der Oberbürgermeister von Thessaloniki, Jannis Boutaris. „Es kann doch nicht angehen, dass ein staatliches Monopol durch ein Privatmonopol ersetzt wird, zumal in ganz Europa Pläne zur Wasserprivatisierung fallen gelassen werden“, erklärte der Linkspolitiker kürzlich im Stadtrat.

Einem Affront gleich käme das Scheitern der Verkaufspläne in Thessaloniki für den neuen Vorsitzenden der griechischen Privatisierungsbehörde Taiped, Stelios Stavridis. Schließlich ist Wasser sein Element: Lange Jahre hat der eloquente Manager ein Unternehmen für Schwimmbadbau geführt, bis ihn Samaras zum neuen Chef der Athener Wasserwerke kürte mit der klaren Vorgabe, den Betrieb zu verschlanken und privatisierungsfähig zu machen. Seit kurzem leitet Stavridis die griechische Privatisierungsbehörde und muss gleich ins kalte Wasser springen, nämlich den Verkauf der Athener Wasserwerke reibungslos über die Bühne bringen.

Als Favorit für einen Zuschlag in Thessaloniki gilt der global agierende französische Energieriese Suez, dem bereits 5,1 Prozent der örtlichen Wasserwerke gehören. Zu den potenziellen Investoren gehört dem Vernehmen nach auch Ivan Savidis, ein griechisch-russischer Geschäftsmann mit angeblich guten Beziehungen zur Moskauer Oberschicht, der neuerdings im Energiesektor tätig ist und zuvor durch den Kauf des traditionsreichen Fußballclubs PAOK Thessaloniki in die Schlagzeilen gekommen war.

Doch die Menschen in Thessaloniki kämpfen weiterhin gegen die Privatisierung des Wassers. Unerwarteten Beistand erhielten sie von einem US-Geschäftsmann, der die Vergesellschaftung der Wasserwerke voranbringen will und zu diesem Zweck den Bürgern von Thessaloniki angeblich auch Mikrodarlehen aus den USA zu günstigen Konditionen zu vermitteln bereit wäre.

Eine ähnliche Idee verfolgt bereits die griechische Aktivistengruppe „Bewegung 136“: Sie will 520.000 treuen Kunden in Thessaloniki Aktien der Wasserwerke zum Preis von jeweils 136 Euro verkaufen und dadurch das Staatsunternehmen praktisch über Nacht vergesellschaften.

JANNIS PAPADIMITRIOU