Mehr Geld für Großgrundbesitzer

BAUERN Die EU preist ihre gestern beschlossene Agrarreform als „fair“. In Wirklichkeit gibt sie den Großen noch mehr Subventionen

Neues Gesetz erlaubt Pestizide auf Flächen, die „im Umweltinteresse“ genutzt werden

VON JOST MAURIN

BERLIN taz | Die Reform der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen ist ungerechter und kaum umweltfreundlicher als die bisherigen Regeln. Das zeigen die am Mittwoch endgültig vom Europäischen Parlament beschlossenen Verordnungen und deren geplante Umsetzung in Deutschland.

Derzeit fließt der Löwenanteil der jährlich 58 Milliarden Euro EU-Subventionen an Großbetriebe. Denn die wichtigste Subventionsart, die Direktzahlungen, wird nach dem Grundsatz vergeben: Je größer die Fläche, desto höher die Zahlung – egal, ob die Landwirte umweltfreundlich arbeiten oder nicht. Deshalb kassieren 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Direktzahlungen. Dabei bieten die kleinen Höfe pro Fläche meist mehr Arbeitsplätze als große.

EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos wollte ursprünglich die Subventionen neu verteilen. Doch vor allem die Regierungen der Mitgliedsstaaten, unter anderem Deutschlands, erreichten zum Beispiel, dass Großgrundbesitzer mehr Direktzahlungen bekommen als bisher. Denn nach der derzeitigen Verordnung werden alle Beträge über 300.000 Euro um 14 Prozent gestutzt. Nach der Reform werden es nur noch 6 bis 7 Prozent sein. Das sind Betriebe mit mehr als etwa 1.000 Hektar.

Zwar sollen kleinere Bauernhöfe besonders profitieren, weil es für die ersten 46 Hektar einen Aufschlag geben wird. Kleine Höfe werden so laut Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) bis zu 1.000 Euro pro Betrieb und Jahr zusätzlich erhalten. Aber insgesamt sollen dafür in Deutschland nur 6,9 Prozent statt der von der EU erlaubten 30 Prozent der Direktzahlungen fließen. Das haben die Agrarminister von Bund und Ländern Anfang des Monats vereinbart. „Diese Umverteilung wird nicht dazu führen, den Strukturwandel hin zu immer größeren Betrieben aufzuhalten“, sagt Sebastian Lakner, Agrarökonom der Universität Göttingen.

Auch die Ökobilanz der Reform wird in der Bundesrepublik nach jetzigem Stand schlechter ausfallen als erwartet. Immerhin verlangt die Verordnung, dass die Bauern ab 2015 fünf Prozent ihrer Ackerfläche „im Umweltinteresse“ nutzen. Erlaubt sind dort zum Beispiel Hülsenfrüchte, die Stickstoff im Boden fixieren und so umweltschädliche Dünger überflüssig machen. Doch der am Mittwoch beschlossene Text lässt es zu, dass die Bauern auch hier Pestizide einsetzen, die die Artenvielfalt einschränken und das Grundwasser belasten können.

Umweltschützer hoffen, dass die EU-Kommission die Ackergifte nachträglich per „delegiertem Rechtsakt“ verbietet. Aber gegen diese Art von Verordnung können Rat oder Parlament jeweils ein Veto einlegen. Und 23 der 27 EU-Staaten haben bereits gefordert, den Chemieeinsatz nicht zu beschränken.

Besonders negativ beurteilen Wissenschaftler, dass das Budget zum Beispiel für Ökolandbau, Tierschutz und Agrarumweltmaßnahmen in Deutschland dem mittelfristigen Haushaltsrahmen der EU zufolge sinkt – laut AbL um 6 Prozent gegenüber diesem Jahr.

Die Grünen im Europa-Parlament haben am Mittwoch gegen die neuen Regeln für die Direktzahlungen gestimmt, die größtenteils ab 2015 gelten werden. „Wir unterstützen kein Greenwashing“, sagte der deutsche Abgeordnete Martin Häusling. Der Vorsitzende des Agrarausschusses, Paolo De Castro von Italiens Demokratischer Partei, dagegen erklärte: „Die neue Gemeinsame Agrarpolitik wird ein besseres Gleichgewicht zwischen Ernährungssicherheit und Umweltschutz herstellen“. Und „fairer“, ergänzte der Politiker, werde sie auch.