Bilanz der Atommüll-Proteste: Widerstand war sinnvoll!

Rund 16.000 Atomkraftgegner treiben mit ihrer Blockade des Castor-Transports die Kosten für den Polizeieinsatz auf 20 Millionen Euro. Die Aktivisten feiern ihren Erfolg.

Die Stimmung zwischen Demonstranten und Polizei blieb meist gut und fair. Bild: dpa

HANNOVER taz Einen Tag später als geplant kam der elfte Castor-Transport im Zwischenlager Gorleben an. AKW-Gegner und Ordnungskräfte haben nun ihre Bilanz der letzten Tage gezogen. Nach früheren Transporten sei bei vielen oft ein Gefühl der Niedergeschlagenheit zurückgeblieben, "doch diesmal ist das ganz anders", sagte die Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Kerstin Rudek, gestern früh. Eine Stunde zuvor hatten die elf Atommüllbehälter um 00.19 Uhr nach 79 Stunden Fahrt durch Frankreich und Deutschland das Zwischenlager erreicht.

Der Kovorsitzender der BI, Gerhard Harder, konstatierte: Der Widerstand ist wieder kräftig und mächtig da. "Wir fordern jetzt mit dem Rückbau des Gorlebener Endlagerbergwerks zu beginnen", fügte er hinzu. Für die Blockade-Initiative X-tausendmal quer meinte Jochen Stay, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) müssten einsehen: "Das Endlagerprojekt ist politisch nicht durchsetzbar." Bei den vier heißen Protesttagen im Wendland ging es insgesamt sehr zivil zwischen Demonstranten und Polizei zu.

Nach Angaben des Sanitätsdienstes gab es weitaus weniger verletzte Castor-Gegner, obwohl es fast dreimal so viel Demonstranten waren. Zwischen fünf und acht AKW-Gegner mussten ins Krankenhaus. Sie erlitten unter anderem Bänderverletzungen, einen Arm- und einen Jochbeinbruch, meist durch Polizeieinwirkungen. Die Ordnungskräfte zählten in ihrer Bilanz 50 Verletzte. Zwölf Polizisten wurden dabei durch Demonstranten verletzt.

Der anwaltliche Notdienst der AKW-Gegner stellte der Polizei ein überraschend gutes Zeugnis aus. Die Polizisten seien sehr lange ohne Pause im Einsatz gewesen, sagte Rechtsanwältin Ulrike Donat. "Dennoch war es im Großen und Ganzen ein maßvoller Einsatz", betonte sie. Die Hamburger Anwältin kritisierte allerdings die Bundespolizei, die bei der Räumung vor dem Zwischenlager Gorleben den Sitzblockierern oft absichtlich Schmerzen zugefügt habe.

Der BI-Vorsitzende Harder ging auf Distanz zu den Steinwürfen auf Polizisten, die es am Sonntagabend bei einer Gleisblockade gegeben hatte. "Wir brauchen keine Steinewerfer", sagte er. Polizisten seien keine Feinde, sondern mehrheitlich ebenfalls AKW-Gegner. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann drohte dann gestern in Hannover den Blockierern Schadensersatzforderungen an. Die Kosten für den Polizeieinsatz sollen sich auf rund 20 Millionen Euro beziffern. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Allgemeinheit für die Kosten aufkommen müsse, meinte der CDU-Politiker. Der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann habe vom Landeskabinett in Hannover den Auftrag, Änderungen des Strafrechts zu prüfen, um bei Transportverzögerungen den Verursachern die Kosten aufzuerlegen. Im Auge hatte Schünemann vermutlich die Bauern, die durch ihre Ankettaktion in Grippel am Montag dem Castor elf Stunden lang den Weg versperrt hatten. Der Letzte der acht Bauern war erst um 22 Uhr aus einer gelben Betonpyramide herausgemeißelt worden.

Nach Angaben von Schünemann war zum Schutz des Transports ein größerer und längerer Einsatz nötig als bei der letzten Atommülllieferung nach Gorleben im Jahr 2006. Insgesamt kamen fast 18.000 Polizisten zum Einsatz, 2006 waren es noch 16.500. Diesmal schützten 9.757 Polizisten der Ländern den Transport ab Lüneburg und im Wendland. Bei der Fahrt des Atommüllzuges quer durch die Republik kamen zudem über 8.000 Bundespolizisten zum Einsatz.

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