Soziale Bewegungen: Kapitalismuskritik hat Hochkonjunktur

Die Organisatoren des Kapitalismuskongresses von Attac vermelden einen Anmeldeansturm: Bisher wollen 1.200 Menschen mitreden, doppelt so viele könnten es werden, hofft das Kongressteam.

Derzeit in Mode: Kapitalismuskritik. Bild: dpa

BERLIN taz In normalen Zeiten wäre ein linker Kongress, wie er an diesem Wochenende an der Technischen Uni Berlin stattfinden soll, allenfalls eine kurze Erwähnung wert. Denn Kongresse zum Thema Kapitalismus gibt es viele. Doch in Zeiten der globalen Finanzkrise scheint der Diskussionsbedarf auch über linke Kreise hinaus groß zu sein. Bis Mitte der Woche hatten sich bereits über 1.200 Personen für den Kapitalismuskongress von Attac angemeldet. Inklusive der Kurzentschlossenen rechnen die Organisatoren gar mit doppelt so vielen TeilnehmerInnen. Es wäre Deutschlands größter linker Kongress seit Jahren.

"Viele Leute verstehen nicht, wieso so viele Banken vor der Pleite stehen und sie damit die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen", erklärt sich Detlev von Larcher den Zulauf. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete ist als Attac-Koordinierungskreis-Mitglied einer der Hauptorganisatoren des Kongresses. Andere seien empört darüber, dass zwar Milliarden von Euro in Rettungsmaßnahmen gesteckt werden - allein zu dem Zweck, dass alles so weitergeht wie bisher, sagt Larcher. "Das dürfen wir nicht zulassen."

Mit Aufbruchstimmung rechnet Attac allerdings nicht. "Die Situation ist derzeit so unüberschaubar, die Krise noch längst nicht beendet", sagt Attac-Geschäftsführerin Sabine Leidig. Wie weit sich "die Wirtschaft noch weiter auf Talfahrt befindet" und wie viele "weitere Blasen auf dem Finanzmarkt wabern und demnächst platzen werden", sei ebenfalls nicht abzuschätzen. Und Unsicherheit versetze die Menschen nicht gerade in Aufbruchstimmung. Zugleich sieht Leidig in der Krise die Chance, "solche Veränderungen durchzusetzen, die zu einer umweltverträglichen und sozial gerechten Gesellschaft führen".

Der Wiener Politikwissenschaftler Ulrich Brand, der ebenfalls auf dem Kongress reden wird, ist deutlich skeptischer. Er beschreibt den derzeitigen Umgang mit der Krise als eine "Revolution von oben in Zeiten des Postneoliberalismus". Brand meint: "Die Gewerkschaften sind gefangen im nationalen Korporatismus. Sie trauen sich nicht, sich zu äußern. Das ist eine Riesenenttäuschung." Die sozialen Bewegungen seien zu schwach, kämpferisch auf die Krise zu reagieren, sagt Brand. Er erhofft sich "einen ersten Austausch" und Antworten auf die Frage, warum sich "unter den emanzipatorischen Kräften so wenig regt".

Zumindest an Antwortgebern wird es auf dem Kongress nicht mangeln. Mehr als 150 ReferentInnen sind auf den knapp 100 Veranstaltungen vorgesehen, darunter weltberühmte Soziologen und Kapitalismuskritiker wie Saskia Sassen (New York), Jayati Gosh (Neu-Delhi) und Bernard Cassen (Paris). Auch die Ökonomen Jörg Huffschmid, Joachim Bischoff und Heiner Flassbeck sowie der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach werden anwesend sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.