IM KARABACH-KONFLIKT VERSUCHT SICH RUSSLAND ALS FRIEDENSSTIFTER
: Das große Spiel im Südkaukasus

Dass sich die Präsidenten von Aserbaidschan und Armenien zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder an einen Tisch gesetzt haben, um den Streit um Nagorni-Karabach friedlich beizulegen, ist eine gute Nachricht. Der Konflikt um die armenische Enklave hat über 30.000 Tote gefordert und mehr als eine Million Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1994 gilt Karabach als potenzieller Schauplatz eines neuen, gewalttätigen Konflikts im Südkaukasus.

Zweifellos ist der aktuelle Vorstoß auch dem Krieg zwischen Georgien und Russland um die abtrünnige Region Südossetien im vergangenen August geschuldet. Er hat die gesamte Region verunsichert und deutlich gemacht, wie schnell ein so genannter eingefrorener Konflikt außer Kontrolle geraten kann. Insbesondere, wenn nicht nur die jeweiligen Konfliktparteien, sondern noch weitere Mitspieler – etwa die Großmächte Russland und die USA – beteiligt sind. Auch in Nagorni-Karabach ist dies der Fall – hier verfolgen jeweils Russland und die Türkei eigene Interessen. So ist es kein Zufall, dass die Einigung zwischen Baku und Eriwan unter Ägide des Kremls ausgehandelt wurde. In Abgrenzung zu seiner Rolle im Georgienkrieg versucht sich Russland nun als eine Art Friedensstifter, als friedlicher Hegemon. Gleichzeitig untermauert Russland damit seinen Anspruch, regionale Ordnungsmacht im Südkaukasus zu sein. Die Tatsache, dass Präsident Dmitri Medwedjew und seine Regierung diesmal statt auf militärische Stärke auf Verhandlungen setzen, deuten auf einen Gesinnungswandel in Moskau hin.

Allzu großer Optimismus ist allerdings nicht angebracht; ähnliche Initiativen brachten in der Vergangenheit keine greifbaren Fortschritte. Auch weist die Vereinbarung von Minsk der OSZE eine wichtige Mittlerrolle für den Friedensprozess zu. Deren Vorsitz aber führen, gleichberechtigt, neben Russland und Frankreich auch die USA, deren geostrategisches Interesse an der erdölreichen Kaspiregion bekannt ist. Das „große Spiel“ der beiden Großmächte könnte am Ende den Friedensprozess erneut torpedieren. BARBARA
OERTEL