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: Wie einer tickt

Romuald Karmakars Film „Warheads“ (1993) porträtiert einen Söldner und einen Fremdenlegionär

Günter Aschenbrenner wurde 1939 in Eichstätt geboren, verhungerte nach dem Krieg fast als eines von sechs Kindern eines mit Berufsverbot belegten Vaters und ging dann, der Not und eigenem Antrieb gehorchend, in die weite Welt hinein. Nicht als vagabundierender Globetrotter, sondern als Mitglied der Fremdenlegion. Er ließ sich drillen und schinden, er lernte Französisch, er brachte sich, anders als zehn Prozent seiner Mitanfänger, nicht um, er wurde zum Soldaten, zum Kämpfer und blieb 20 Jahre, von 1958 bis 1978, Mitglied dieser aus Kriegslustigen aller Länder zusammengewürfelten Armee in der französischen Armee.

Aus diesem Leben erzählt er in Romuald Karmakars Dokumentarfilm „Warheads“, der im Jahr 1993 entstand. Aschenbrenner berichtet von den Jahren in Algerien, als die Fremdenlegion auf verlorenem Posten für die Fortsetzung kolonialer Ausbeutung und Unterdrückung kämpfte; von Schlägereien und Totschlag und Bordellbesuchen, von späteren Jahren in Französisch-Guyana, von Atombombentests, bei denen er sich die Augen verdarb. Immer halten Karmakar und seine Kameramänner die Kamera drauf, bleiben nahe dran, widersprechen nicht, blicken nicht weg. Ihr Interesse gilt einzig der Frage, wie einer tickt, der so denkt und so etwas tut. Dazwischen geschnitten sind Bilder aus einem US-Möchtegernsoldaten-Trainingscamp, mit dem Aschenbrenner nach seinem Abschied aus der Fremdenlegion zu tun hat. Wir sehen Männer im Wald, die schießen, die kämpfen, die Krieg spielen, die Tränengas unter die Augen gerieben bekommen und am Ende fürs Durchhalten am Wirtshaustisch eine Urkunde erhalten. Die Kamera ist dabei und hindert keinen daran, dies Treiben einfach nur lächerlich zu finden.

Die zweite Hälfte des Films hat einen anderen Schauplatz und eine andere Hauptfigur. Der Ort ist Gospić, Kroatien, es ist der Beginn des Jugoslawienkriegs Anfang der Neunziger. Karmakar und sein winziges Team heften sich, inmitten der Kämpfe, an die Fersen des britischen Söldnersoldaten Carl. Auch er wird zwischendurch interviewt und erzählt, wie er getötet und auch gefoltert hat, vom Kampf als Droge, vom Valium, das er schlucken muss, um durch den Tag zu kommen, von der Schwierigkeit, nach den Einsätzen ins zivile Leben zurückzukehren. Dazwischen ist Krieg. Raketen werden abgefeuert, es wird geschossen, jetzt aber im Ernst. Bei langen Fahrten an ausgebrannten Häusern vorbei verzichtet der Film auf den Ton. Das Filmmaterial wechselt zwischendurch von 16 mm ins Videomaterial; nicht nur daran erkennt man, dass zwischendurch die Lage sehr brenzlig wird.

Im sehr hörenswerten Audiokommentar berichtet Romuald Karmakar, wie schwer es damals war, „Warheads“ zu finanzieren. Die Vorwürfe, er verzichte auf Distanzierung von seinen Protagonisten, wiederholten sich, als der Film in die Kinos kam. Der Filmemacher leugnet nicht, dass sich eine Art Freundschaft zu den beiden problematischen Figuren Aschenbrenner und Carl entwickelt hat. Anders aber, sagt er, wäre ein Film wie dieser nicht möglich. Ein Film, muss man hinzufügen, der großes Vertrauen in zwei Dinge verrät. Das Vertrauen darauf, dass die präzise und nie denunziatorische Arbeit von Kamerablick und Montage große Nähe und damit einen Einblick in sehr fremdes Denken möglich machen, ohne doch Faszination oder Zustimmung vorauszusetzen. Und das Vertrauen darauf, dass die Betrachterin sich einen eigenen Reim machen kann auf das, was zu hören und zu sehen ist. Der Film vertraut, kurz gesagt, auf die Möglichkeit eines nicht-manipulativen Blicks und auf die Kraft eigenen Urteils. Es ist, so abstoßend vieles ist, das man hört und sieht, eine schöne Erfahrung, Zeuge eines solchen Vertrauens zu werden.

EKKEHARD KNÖRER

Die DVD enthält als Extra Karmakars Hörspiel „Nacht über Gospić“ und ist für rund 20 Euro im Handel und bei www.absolutmedien.de erhältlich