Kommentar Umgang mit Bootsflüchtlingen: Eine alberne Debatte

Der Konflikt um die Flüchtlinge auf Lampedusa ist ein lächerliches Scharmützel zwischen Italien und Frankreich. Dabei muss sich die EU auf große Flüchtlingszahlen vorbereiten.

Unzumutbar - dies ist die Beschwerde, die in diesen Tagen Italien und Frankreich einander um die Ohren hauen, wegen des angeblich "uneuropäischen Umgangs" des jeweils anderen mit den tunesischen Lampedusa-Flüchtlingen. "Europäisch" wäre es, so meint Paris (und auch die Bundesregierung in Berlin), wenn Italien ganz allein schaut, wie es mit den Bootsflüchtlingen klarkommt, per Abschiebung ins Heimatland oder auch per Gewährung eines - dann allerdings auf Italien beschränkten - Aufenthaltsrechts.

"Europäisch" wäre es, hält die Regierung Berlusconi dagegen, wenn vorneweg Frankreich bitte schön Italien den Ärger mit den Flüchtlingen abnehme und sie jetzt einreisen lasse, da sie doch von Italien mit gültigen Reisepapieren ausgestattet worden sind.

Wenigstens eines eint die beiden Kontrahenten: die Lächerlichkeit ihrer Positionen. "Europäisch" nennen sie ihr jeweiliges nationales Interesse - und das angesichts einer "Herausforderung", die gar keine ist.

MICHAEL BRAUN ist Italien-Korrespondent der taz.

Italien geriete nicht in Not, wenn es sich um jene nicht einmal 20.000 Tunesier kümmern würde, die jetzt den legalen Aufenthaltsstatus erhalten haben. Und Frankreich würde ebenso wenig einer Krise ins Auge sehen, wenn ein gut Teil jener Menschen zu ihren Verwandten nach Paris oder Lyon käme.

Doch der Konflikt ist bloß ein Vorabscharmützel. In Wirklichkeit bringen sich beide Seiten in Stellung für den Fall, dass womöglich demnächst über Libyen eine weit größere Zahl von Flüchtlingen übers Meer nach Italien - und damit nach Europa - käme.

Es lässt nichts Gutes ahnen, dass wichtige Staaten der Europäischen Union schon jetzt statt Lastenteilung nur eines im Auge haben: die Kostenabwälzung auf die anderen. Den Vorreiter dabei machte Italien; die in Rom regierenden Populisten hielten es für einen schlauen Einfall, sich eben mal schnell und elegant der Flüchtlinge zu entledigen - und tauften das Ganze "europäische Solidarität". Ein müder Taschenspielertrick war das, doch Frankreichs Antwort war um keinen Deut besser.

Europa jedoch wäre gut beraten, schleunigst von dem albernen Streit über ein paar tausend Flüchtlinge abzulassen und stattdessen zügig die Debatte aufzunehmen über angemessene gemeinsame Reaktionen, wenn wirklich der große Zustrom von Kriegsflüchtlingen einsetzen sollte.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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