Problem Kurzarbeit

Die immense Zahl von Anmeldungen macht Überprüfung durch Arbeitsagenturen schwierig. Nur 0,9 Prozent der Anträge werden abgelehnt

Aufgrund der vielen Anträge auf Kurzarbeit finden Überprüfungen von Firmen durch die Arbeitsagenturen jetzt nur noch in 10 bis 20 Prozent der Fälle statt

BERLIN taz/dpa/ap | Ohne die starke Inanspruchnahme der Kurzarbeit gäbe es weitaus mehr Arbeitslose. Seit Oktober wurde für mehr als drei Millionen Beschäftigte vorsorglich aus konjunkturellen Gründen Kurzarbeit angekündigt. Davon würden im Moment etwa 1,3 bis 1,4 Millionen tatsächlich kurzarbeiten, sagte Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit.

Ende März waren es noch gut 1,1 Millionen Kurzarbeiter. Bei einem durchschnittlichen Arbeitsausfall durch die Maßnahme von etwa einem Drittel hieße das umgerechnet auf Vollzeitstellen, dass es ohne Kurzarbeit etwa 450.000 Arbeitslose mehr gäbe. Die immense Zahl der Anmeldungen von Kurzarbeit stellt die Arbeitsagenturen aber vor Probleme. Vor allem was die Überprüfung angeht, ob die Firmen tatsächlich auch das Instrument der Kurzarbeit benötigen.

Bei den Arbeitsagenturen ist es nicht immer leicht, nach schriftlicher Antragslage zu entscheiden, dass die von einem Betrieb angemeldete Kurzarbeit tatsächlich „nicht vermeidbar“ und nur „vorübergehend“ ist und auf „wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht“. Dies nämlich fordert der Gesetzgeber als Voraussetzung.

Kopien von Dokumenten, die eine einmalig schlechtere Auftragslage belegen, würden nur von einem Teil der Antragssteller mitgeschickt, schildert Katja Hoffmann, zuständige Teamleiterin bei der Arbeitsagentur Berlin Süd. In ihrem Bereich gingen die Mitarbeiter früher in 100 Prozent der Fälle in die Betriebe, um sich ein Bild zu machen, wenn diese konjunkturelle Kurzarbeit beantragt hatten, berichtet Hoffmann. Aufgrund der vielen Anträge finden Besuche der Behördenvertreter jetzt aber nur in 10 bis 20 Prozent der Fälle statt. Bei jedem Antrag aber frage man telefonisch nach und ließe sich den Fall genauer schildern, erklärt Hoffmann.

Die Mitarbeiter der Arbeitsagentur müssen unter anderem feststellen, ob der Arbeitsausfall nicht alljährlich vorkommt oder saisonal bedingt ist. Abgelehnt wurde etwa der Antrag eines Nachhilfeunternehmens auf Kurzarbeit, erzählt Hoffmann. Der Betrieb wollte über die Sommerzeit, in der auch die Ferien liegen, Kurzarbeit für seine NachhilfelehrerInnen anmelden. Hoffmann schildert auch Fälle von Arztpraxen, die Kurzarbeit beantragten, weil sie ihre Öffnungszeiten verringert hatten, da sie aufgrund der Honorarreform angeblich weniger Leistungen abrechnen könnten. Solche Anträge wurden „eindeutig abgelehnt“.

Hotels allerdings, die Kurzarbeit anmeldeten und dies mit dem Rückgang der Besucherzahlen aufgrund der Wirtschaftskrise begründeten, bekämen die Kurzarbeit bewilligt, berichtet Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg. Denn für diese Betriebe sei es glaubhaft, dass der Rückgang der Besucherzahlen und der Arbeitsausfall auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen sei.

Katja Hoffmann geht nicht von vielen Missbrauchsfällen und starken Mitnahmeeffekten aus. Kurzarbeit müsse immer vom Betriebsrat genehmigt werden. Existiert kein Betriebsrat, müssten die Arbeitnehmer einzeln die Nachweise unterschreiben, schildert sie.

Für Kurzarbeit gibt es von den Arbeitsagenturen nur 60 bis 67 Prozent des Verdienstausfalles, sie bedeutet also eine Lohneinbuße. Schon allein deswegen stimmten Betriebsräte nur zu, wenn der Arbeitsausfall tatsächlich unvermeidbar sei, sagt Katja Hoffmann.

Nach den zuletzt verfügbaren Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden im April bundesweit nur 0,9 Prozent der Anträge auf Kurzarbeit abgelehnt, erklärte BA-Sprecherin Adriana Galunic.

Der Bundesrechnungshof will derweil in 25 Arbeitsagenturen die Genehmigungspraxis von Kurzarbeit stichprobenartig überprüfen. Ein Sprecher sagte am Montag der Nachrichtenagentur AP, es handele sich um eine routinemäßige Überprüfung, die angesichts der hohen Ausgaben für Kurzarbeit nötig sei. Das ARD-Magazin „Report Mainz“ berichtete in einer Vorabmeldung von bundesweit mindestens zehn staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit Betrug bei Kurzarbeit. BARBARA DRIBBUSCH