Stalljunge ohne Phrasenschwein

Schmids Frau ist Deutschtürkin, die Integration von Zuwanderern über gleiche Bildungschancen will er zu seinem Schwerpunkt machen

Auf einmal zaubert die gebeutelte und zerzauste SPD in Baden-Württemberg diesen Nils Schmid aus dem Hut: Ein ruhiger, sachlicher Finanzpolitiker und Landtagsabgeordneter, gerade mal 36 Jahre alt, soll jetzt neuer Parteichef werden.

In einer Mitgliederbefragung sprachen sich 46,2 Prozent für ihn aus. Der Parteitag nächstes Wochenende wird dem Votum wohl folgen. Als sich Schmid am Sonntag der Presse vorstellt, sieht man einen unbefangenen Politiker, der noch weit davon weg ist, die immer gleichen Phrasen zu wiederholen, um keine Fehler zu machen. Er plaudert unbeschwert über die aufregende, schöne Zeit, als er sich der Basis vorstellte. Sie will er einbinden, sie soll die Inhalte des Landtagswahlkampfes mitbestimmen dürfen, darin sieht er das Rezept, um die SPD aus der Krise zu führen. Bei der Bundestagswahl kam sie auf 19,3 Prozent.

Schmid versteht man am besten im Vergleich zu seinem neuen Chefkollegen von der CDU, Stefan Mappus. Schmid kam 1997 als Nachrücker in den Landtag, da saß Mappus dort bereits ein Jahr, beide duzen sich noch heute. Mappus entwickelte sich zu einem rechten, polemisierender Dampfplauderer, den die Partei nun binnen kürzester Zeit ohne Beteiligung der Mitglieder zum neuen Landesvorsitzenden gekrönt hat. Schmid dagegen verzichtete auf Polemik, er hört zu und diskutiert gern, in über 20 Veranstaltungen hat er sich der Basis gestellt und erläutert, was er will. Seine Frau ist Deutschtürkin, die Integration von Zuwanderern über gleiche Bildungschancen will er zu seinem Schwerpunkt machen.

Finanzpolitik ist ohnehin sein Terrain, er hat in Jura promoviert, bei Ferdinand Kirchhof, der inzwischen Richter am Bundesverfassungsgericht ist. Schmids Schwerpunkt: Staatsverschuldung und Staatsvermögen. Er spricht fließend Englisch und Französisch und ein wenig Türkisch. Inhaltlich definiert er sich als „quer im Stall“, wie er der taz sagte, kein linker Flügel, kein Agenda-2010-Verfechter, er wolle für Inhalte abseits des Links-rechts-Denkens stehen. Seine Vorgängerin Ute Vogt sagte gestern mit einem Augenzwinkern über ihn: „Er ist richtig besonnen, nicht so aufbrausend, wie ich das manchmal war. Aber sicherlich wird er das noch lernen müssen.“ INGO ARZT

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