Das Ende des Vorspiels

GLEICHBERECHTIGUNG Sie haben es geschafft: Über zwanzig Jahre hatten die deutschen Fußballfrauen kein eigenes Pokalfinale. Sie waren nur das Vorprogramm zum Endspiel der Männer. Das ändert sich nächste Woche

■  Der Termin: Am kommenden Samstag, den 15. Mai, treten im DFB-Pokalendspiel der Frauen Jena und Duisburg gegeneinander an. Das Spiel wird ab 16 Uhr im ZDF übertragen. Zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren findet es nicht vor dem Männer-Finale im Berliner Olympiastadion statt.

■  Die Geschichte: Die ersten Siegerinnen in dem neu geschaffenen Frauenwettbewerb waren 1981 die Spielerinnen des SSG 09 Bergisch Gladbach. Schon 2007 hatte sich der FC Schalke 04 mit seiner Arena als separater Austragungsort für das Endspiel der Frauen beworben. Allerdings vergeblich.

VON NADINE MICHEL

Zum ersten Mal im Finale – und dann dürfen sie nicht mal den Schlachtruf „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ singen. Ärgern tun sich die Fußballerinnen des USV Jena trotzdem nicht. Sie bestreiten gleich ein historisches Spiel: das erste DFB-Pokalendspiel der Frauen seit 1985, das nicht zusammen mit dem Männer-Finale im Berliner Olympiastadion ausgetragen wird. Die Frauen wollen mehr bieten als ein Vorspiel für die männliche Partie. Sie wollen ihr eigenes Finale haben. Am kommenden Samstag trifft Jena auf den Titelverteidiger FCR Duisburg: in Köln.

Schon lange wurde über diesen Schritt diskutiert. Für viele Vereinsspielerinnen war das Pokalfinale zwar oft die einzige Möglichkeit, sich in einem riesigen Stadion wie bei einem großen Event zu fühlen. Doch zum Zeitpunkt des Frauenendspiels waren die Zuschauerränge häufig beinahe leer. Wenn Fans da waren, dann nur, weil sie Anhänger von Bayern München, Werder Bremen oder Schalke 04 waren und sich auf das Finale am Abend einstimmten. Nach dem Spiel – der Frauen – war für die meisten nur vor dem Spiel – der Männer. Während die Siegerinnen ihre Ehrenrunde liefen, schauten die Kameras lieber den Jungs auf dem Rasen beim Aufwärmen zu.

„Das Männerendspiel war doch immer sehr dominant“, sagt Hannelore Ratzeburg. Sie ist die Vizepräsidentin des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und zuständig für den Frauenfußball. „Wir haben schon große Schritte mit der Nationalmannschaft gemacht. Dort ist eine Entwicklung eingetreten, auf die wir stolz sind. Nun ist es an der Zeit, dass auch die Wertschätzung der Vereinsmannschaften eine neue Dimension erreicht.“

Die Fußballerinnen dribbeln sich zusehends ins öffentliche Bewusstsein. Im vergangenen Jahr wurde das Nationalteam erst Europameister und dann im Zweiten Deutschen Fernsehen zur Mannschaft des Jahres gekürt. Die Werbewirtschaft wittert Vermarktungspotenzial. In einem Spot passend zur Männer-WM tritt Nationalspieler Michael Ballack nicht etwa mit einem Teamkollegen auf, sondern mit der Ikone des Frauenfußballs: Birgit Prinz. Ein Gesicht, das inzwischen selbst Männerfußball-Fans kennen dürften.

Auch der Kartenverkauf für das Pokalfinale belegt das gestiegene Interesse. Nach Angaben des DFB sind bislang 15.000 Tickets verkauft worden. Für Hannelore Ratzeburg ist das ein „erfreuliches Zwischenergebnis“. Noch vor ein paar Wochen waren es erst gut 8.000. In manchen Medien machte bereits das Wort „Flop“ die Runde. „15.000 – das hätten wir in Berlin nie geschafft“, sagt Jenas Mannschaftskapitänin Yvonne Hartmann. „Zumal da immer viel Laufkundschaft dabei war: Die haben eine Wurst gegessen, ein Bierchen getrunken und sich eigentlich nicht für das Frauenspiel interessiert.“ Das eigene Finale sei daher wichtig, um den Frauenfußball voranzubringen.

In Duisburg sieht man das ähnlich. Erst hätten sich zwar einige ihrer Spielerinnen etwas geärgert, dass sie nicht das Final-Event im Olympiastadion erleben, erzählt Trainerin Martina Voss-Tecklenburg. Doch letztlich gelte: „Spieler brauchen Atmosphäre – und die war in Berlin eigentlich oft schlecht. Gut war sie erst nach dem Spiel“, findet die ehemalige Nationalspielerin, die schon 1985 im ersten Endspiel in Berlin dabei war.

Der Frauenfußball emanzipiert sich also weiter vom Männerfußball. Ein genderpolitischer Fortschritt? Nicole Selmer ist skeptisch. Die Fußballautorin, die in ihrem Buch „Watching The Boys Play“ die weibliche Fankultur bei Männerspielen analysiert hat, sieht im Gegenteil sogar eher die Gefahr eines Rückschritts: „Das separate Finale bestätigt den Trend, dass gerne der Eindruck erweckt wird: Es gibt Fußball und es gibt Frauenfußball“, sagt sie. Die Spielerinnen hätten zwar oft selbst die Haltung, dass sie keinen Vergleich mit dem Männerfußball wollen. Dies könne Selmer auch verstehen. „Es befördert aber die Aufspaltung, als wäre es nicht der gleich Sport.“

„Das Männerendspiel war doch immer sehr dominant“

Hannelore Ratzeburg, Vizepräsidentin des DFB

Damals wohl kaum registriert, hat es diese Spaltung schon einmal gegeben. Bis 1985 wurde der Pokal stets an verschiedenen Orten in Deutschland ausgetragen, bevor man sich auf Berlin als Finalort festlegte. So war das Finale 1983 für Köln angesetzt. Im Männer-Endspiel standen damals: der 1. FC Köln und Fortuna Köln – ein brisantes Lokalderby also, zudem vor heimischer Kulisse. Aufgrund dieser Besonderheit mussten die Frauen nach Frankfurt ziehen.

Dass es nun erstmals wieder ein eigenständiges Finale gibt, hat auch mit der Frauen-WM zu tun, die nächstes Jahr in Deutschland stattfindet. Dann muss das Pokalendspiel bereits im März ausgetragen werden. Deshalb sollte in diesem Jahr der Versuch eines eigenen Finalspiels unternommen werden. „Wenn man sich die rasante Entwicklung im Frauenfußball ansieht, ist dieser Schritt logisch und konsequent“, sagt Steffi Jones, Ex-Nationalspielerin und Chefin des Organisationskomitees für die WM 2011.

Die Stadt Köln biete den Teams einen würdigen Rahmen. Und dem FCR Duisburg gar einen kleinen Heimvorteil. „Die Unterstützung wird von Duisburger Seite sicherlich größer sein“, sagt Trainerin Voss-Tecklenburg. Duisburg gilt als klarer Favorit. „Ohne dass es arrogant klingen soll, aber alles andere als ein Sieg wäre schon eine Enttäuschung“, sagt sie. Das weiß auch Jena. „Wir haben mit dem Finaleinzug alles erreicht, was wir wollten“, stellt Hartmann fest. „Wir wollen die kleine Außenseiterchance nutzen und uns einfach so gut wie möglich verkaufen.“ Für Jena sei der Austragungsort daher zweitrangig: „Wir stehen im Finale – und dann ist es egal, ob Köln oder Berlin“, sagt Hartmann. Hauptsache Finale. Dazu passt die offizielle Hymne des Frauen-Endspiels von der Kölner Band Höhner: „Da simmer dabei!“ Nur eben nicht in Berlin diesmal.