Kolumne Macht: Intriganten und andere Vettern

Bisher ungeklärt in der Affäre um Christian Wulff: Ist er nun eigentlich Täter oder Opfer? Oder beides?

Vor einigen Jahren habe ich einem Freund, der klamm war, mit Geld ausgeholfen. Wir vereinbarten einen jährlichen Zinssatz, der dem entsprach, was ich bei einer risikoarmen Anlage als Rendite bekommen hätte. Uns schien das seinerzeit der sicherste Weg zu sein, jede mögliche Belastung der Freundschaft auszuschließen.

Wir wollten sicherstellen, dass niemand sich dem anderen verpflichtet fühlte und dass es keinen Grund zu Ärger gäbe, sollte sich die Rückzahlung verzögern. Was wir gerade nicht wollten: eine "Geschäftsbeziehung" aufbauen. Mein Freund gab mir das Geld nach zwei Jahren zurück, und wir haben nie mehr an die Geschichte gedacht. Bis jetzt. Bis Christian Wulff wegen einer ganz ähnlichen Geschichte in Erklärungsnot geriet.

"So ähnlich ist die Geschichte nicht, wir beide waren keine Ministerpräsidenten", sagt mein Freund nun. Stimmt. Wahr ist auch, dass es bei uns nicht um 500.000 Euro, sondern lediglich um 3.000 Mark ging. Na und? Wäre unsere private Vereinbarung, die in meinen Augen fair und harmlos ist, anrüchig, wenn wir öffentliche Ämter bekleideten?

"Wir haben kein Parlament belogen", sagt mein Freund. Trifft ebenfalls zu. Aber das hat Bundespräsident Wulff nach allem, was seine Kritiker bisher sagen, auch nicht getan. Viele Leute sind sich aber jetzt darin einig, dass der Anstand es gebiete, auch Dinge offenzulegen, nach denen man nicht gefragt wurde. Meinen die das alle ernst?

Schuldig oder unschuldig?

Es fällt gar nicht leicht, den Bundespräsidenten zu verteidigen. Zu oft schon hat er fehlendes Gespür dafür bewiesen, dass ein Amtsträger jeden zwielichtigen Anschein zu vermeiden hat. Unschön ist, dass der Unternehmer Egon Geerkens, dessen Ehefrau den Kredit gewährte, Christian Wulff mehrfach auf Auslandsreisen begleitete.

Dabei spielt es gar keine Rolle, dass Geerkens die Kosten dafür selbst getragen hat: Er war Mitglied der Delegation des damaligen Ministerpräsidenten, und solche Trips lassen sich bekanntlich nicht im Reisebüro buchen. Der Gedanke an Vorteile, die der Unternehmer daraus zu ziehen hoffte, liegt also zumindest nahe. Auch deshalb würde ich eigentlich am liebsten gar nichts sagen zu der Affäre. Zu groß ist die Gefahr, dass neue Enthüllungen meinen Standpunkt als naiv erscheinen lassen.

Und dennoch. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Christian Wulff zur Zielscheibe einer Intrige geworden ist. Sein Problem besteht darin, dass man ihm Mauscheleien zutraut, und das hat er sich selbst zuzuschreiben. Aber wer eine Intrige spinnt, setzt immer am Schwachpunkt des Opfers an - wo denn sonst?

Es war ja auch kein Zufall, dass Dominique Strauss-Kahn mit dem Vorwurf einer Vergewaltigung zu Fall gebracht wurde. Er hat eine abstoßende Haltung gegenüber Frauen. Das macht ihn jedoch nicht zu einem Vergewaltiger. Ebenso wenig wie eine Instinktlosigkeit von der Art, die der Bundespräsident an den Tag legte, dasselbe ist wie Vetternwirtschaft.

Geldgeschäfte von Politikern: Das ist ein Thema, auf das die Öffentlichkeit verlässlich empört reagiert, und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich ein Fehlverhalten vorliegt oder nicht. Wer auch immer einem Amtsträger schaden will, weiß das. Wie ist eigentlich der Inhalt eines Vertrages, an dessen Offenlegung keiner der Beteiligten ein Interesse hatte, zur Bild-Zeitung gelangt? Warum? Und warum werden diese Fragen nicht gestellt? Das möchte ich wirklich noch wissen.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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