Theater mit dem Staatsanwalt

Kunst und Politik sind im Leben von Amelie Deuflhard eng miteinander verwoben. In den Stücken des Hamburger Theaters Kampnagel, dessen künstlerische Leitung sie innehat, spielt die Flüchtlingsthematik immer wieder eine Rolle. Seit Neuestem läuft nun ein Ermittlungsverfahren gegen die Intendantin.

„Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht für Ausländer“ lautete der Verdacht. Deswegen hatten die beiden Hamburger Landesvorsitzenden der AfD Deuflhard im Dezember angezeigt. Das KünstlerInnen-Kollektiv Baltic Raw hatte auf Kampnagel einen Holzbau errichtet, der im Maßstab 1:3 dem besetzten Kulturzentrum Rote Flora nachempfunden ist. In der sogenannten Eco Favela Lampedusa Nord konnten fünf Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ den Winter über wohnen und arbeiten.

Dass die Staatsanwaltschaft deshalb die Ermittlungen aufgenommen hat, erstaunt die Intendantin. „Schließlich liegt es nicht in meiner Verantwortung, dass die Flüchtlinge hier sind“, sagte sie zur taz. Sie habe lediglich eine humanitäre Hilfestellung geleistet. Als „ordentliche Bürgerin“, als die sie sich sieht, sei so etwas eher eine Pflicht als eine Straftat.

Ihr Interesse am Theater entdeckte die Stuttgarterin in der Mittelstufe, als Claus Peymann Intendant des Stuttgarter Theaters wurde. Er geriet in die Schlagzeilen, weil er für einen Zahnersatz der inhaftierte RAF-Terroristin Gudrun Ensslin Geld sammelte. Deuflhards Eltern kündigten ihr Theater-Abo, sie selbst und ihre FreundInnen hingegen pilgerten in die Vorstellungen. Nach dem Studium zog sie mit 27 nach Berlin und bekam vier Kinder. „Da dachte ich mir: Jetzt hast du sowieso keine Chance mehr auf dem Berufsmarkt – warum also nicht gleich was machen, was ich schon immer machen wollte?“ Vier Jahre später übernahm sie die künstlerische Leitung der Sophiensæle und wechselte 2007 nach Kampnagel.

Angesichts der Ermittlungen ist die Intendantin entspannt. „Ich glaube nicht, dass ich angeklagt werde“, sagt sie. Im Gegenteil – Deuflhard ist glücklich, eine so große Debatte angestoßen zu haben. Das zeige einmal mehr die Brisanz des Themas.

KATHARINA SCHIPKOWSKI