Rückkehr nach Burundi auf eigene Faust

Burundische Flüchtlinge kehren gegen den Willen der UNO aus Tansania zurück im Vertrauen darauf, dass der wacklige Friedensprozess funktioniert

MUYINGA taz ■ Marie Nkandakazi will nach Hause. Die 61-Jährige hat Zahnschmerzen, außerdem sind ihre Lebensmittelkarten alle. Erschöpft sitzt die Flüchtlingsfrau unter einer großen blauen Zeltplane des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR an der Grenze zwischen Tansania und Burundi und wartet nun schon den zweiten Tag auf eine Möglichkeit zur Weiterfahrt in ihr burundisches Heimatdorf. „Ich dachte, man würde uns hier empfangen“, sagt Marie. Aber es ist Sonntag, und da arbeitet die UNO nicht.

Neben Marie warten sechs andere Rückkehrer. „Mein Vater hat das Lager verlassen, um Arbeit zu suchen“, erzählt der junge Jonas Ciza. „Ich blieb, aber das Essen war schlecht und zu wenig. Klar, es ist noch Krieg in Burundi, aber im Radio hörte ich, dass hier die Lage gut ist. Also komme ich jetzt zurück.“ 8.062 burundische Flüchtlinge passierten laut UNHCR zwischen Januar und August 2001 den Grenzübergang Kobero bei der Stadt Muyinga im Nordosten Burundis. Dies könnte sich zur Massenheimkehr entwickeln, wenn in Burundi das Friedensabkommen umgesetzt wird und der Bürgerkrieg endet, der seit 1993 250.000 Tote forderte. Mehrere hunderttausend burundische Flüchtlinge leben in Tansania – Hutu, die wegen der Kämpfe zwischen Hutu-Rebellen und Tutsi-Armee flohen. Burundis Regierung hält die Lager für Basen der Rebellen, was zum Teil auch stimmt.

Mehrere zehntausend Burunder gingen bereits auf eigene Faust nach Hause – gegen den Willen des UNHCR, das eine Rückkehr erst befürwortet, wenn Frieden herrscht. Trotzdem ist das UNHCR-Lager Songoré im Norden Burundis die Durchlaufstation. In 16 Zelten leben an diesem Tag 116 Menschen. „Wir bringen sie her, geben ihnen Essen und ein Rückkehrpaket“, erzählt der UNHCR-Delegierte. Die Bewohner von Songoré haben den resoluten Blick von Leuten, die sich erfolgreich gegen behördliche Untätigkeit durchboxen mussten. „UNHCR“ antworten sie auf die Frage, wer ihre Rückkehr nach Burundi behinderte. „Wir mussten uns verstecken, damit das UNHCR uns nicht einfängt“, berichtet Jacqueline Nahimana, die ihre Tochter im Bottich einseift. Ein alter Mann regt sich auf: „Das UNHCR will nicht, dass wir nach Hause gehen. Wir mussten nachts gehen, heimlich.“

Meist kommen die Rückkehrer mittellos in Burundi an. Aus Songoré gibt es alle paar Tage Transporte in andere Landesteile. „Wir achten darauf, ob die Rückkehrer dort Behausung und Land erhalten, ob sie einen Personalausweis und eine Krankenversicherungskarte haben, ob die Kinder zur Schule gehen können und ob sie nicht juristisch verfolgt werden“, erklärt der UNHCR-Delegierte. „Aber wir tun das nicht systematisch. Dafür haben wir zu wenig Leute.“

Am einfachsten wäre die Integration der Rückkehrer im Nordosten Burundis. Dieser Landesteil ist wenigstens friedlich. Doch die Nordostprovinz Muyinga nahm in den letzten Jahren bereits 30.000 Rückkehrer auf – bei einer Bevölkerung von 450.000 – und rechnet mit weiteren 40.000 im nächsten halben Jahr, wie Provinzgouverneur Lazare Karekezi sagt. „Hilfsorganisationen müssen uns helfen.“

In der Zwischenzeit müssen in der dicht besiedelten fruchtbaren Region alle enger zusammenrücken. Das ist nicht einfach. Hier wurden 1993 alle Tutsi von Hutu-Gruppen getötet oder vertrieben. Später eroberte die Armee die Region, woraufhin Hutu über die Grenze flohen. Unter den zurückkehrenden Hutu sind vermutlich etliche Mörder. Zugleich siedelt die Regierung jene Tutsi, die die Massaker 1993 überlebten, wieder an. Alles birgt sozialen Sprengstoff.

„Die beiden Ethnien leben friedlich zusammen“, behauptet Gouverneur Karekezi. Später wird er ehrlicher. „Beide Ethnien beäugen sich mit Misstrauen. Hier haben Leute getötet, geplündert und zerstört. Heute reicht es, dass man von einer anderen Ethnie ist, damit die Nachbarn einen als Feind betrachten. Wir müssen das überwinden. Wir sagen: Das ist Vergangenheit. Sicher gibt es unter den Rückkehrern Verbrecher, die sagen: Ich habe 20 Menschen ermordet, was passiert mit mir? Es gibt laut Friedensabkommen eine provisorische Amnestie für drei Jahre. In dieser Zeit soll ermittelt werden, wer was getan hat.“ Die Spannung ist zu spüren. Im Dorf Ntahana sagt ein Bauer: „Die Rückkehrer sind zufrieden. Ihre Nachbarn sind gleichgültig. Traditionell helfen sich die Leute. Aber heute sorgt jeder nur noch für sich selbst.“ Das gelte auch für die wenigen Tutsi der Gegend: „Sie trauen sich nicht, in die Felder zu gehen. Sie bleiben im Dorf bei der Straße – für ihre Sicherheit.“ DOMINIC JOHNSON