Kouchners Darfur-Plan vom Tisch

Humanitäre Korridore mit EU-Militärschutz aus Tschad heraus „nicht durchführbar“, sagt jetzt Frankreichs neuer Außenminister, der die Idee letzte Woche vorgelegt hatte

BERLIN taz ■ Der Vorschlag des neuen französischen Außenministers Bernard Kouchner, aus dem Tschad heraus einen „humanitären Korridor“ in die sudanesische Kriegsregion Darfur einzurichten und von europäischen Truppen schützen zu lassen, wird vorerst nicht realisiert. „Wir können keine Entscheidungen für andere treffen“, so Kouchner am Mittwochabend im Anschluss an eine Kabinettssitzung in Paris. Die Idee sei gut, aber „es ist nicht sicher, dass wir es durchführen können“. Er fügte hinzu: „Es geht nicht um den Korridor. Es geht darum, nützlich zu sein.“

Zuvor hatte Tschads Regierung sich gegen den Eingreifplan ausgesprochen – weil Frankreich offensichtlich vergessen hatte, sie vorher zu fragen. „Wir brauchen keinen Korridor, weil es eine perfekte Zusammenarbeit zwischen Tschad, UNO und Hilfswerken gibt“, sagte Tschads Premierminister Nouraddine Delwa Kassire Coumakoye am Montag. Außenminister Ahmat Allami präzisierte am Dienstag, man sei „offen für jede Diskussion über eine Verbesserung der Sicherheitslage und humanitären Situation in Darfur und dem Osten Tschads“, aber „ich kommentiere keine Initiative, die man uns nicht formell vorgelegt hat“. Bereits im Februar hatte Tschad die Stationierung einer Blauhelmtruppe an der Grenze zum Sudan abgelehnt.

Kouchners Initiative, die die Entsendung von EU-Truppen und damit voraussichtlich auch Bundeswehreinheiten nach Tschad und Darfur bedeutet hätte, war bei EU-Asien-Gipfel in Hamburg Anfang vergangener Woche vorgestellt worden und hatte dann bei den G-8-Außenministern in Potsdam ein positives Echo gefunden. Danach hatte es aus Paris geheißen, man denke an eine EU-Eingreiftruppe von 3.000 bis 12.000 Mann und habe in Brüssel und Berlin entsprechende Anfragen gestellt. Das Bundesverteidigungsministerium sagte der taz dazu allerdings, es gebe keine solche Anfrage.

Kouchner, der die Lösung der Darfur-Krise zu seiner Priorität erklärt hat, will nun in die Region reisen und am 25. Juni ein Treffen der von ihm geplanten „Darfur-Kontaktgruppe“ unter anderem aus den G-8-Staaten, China, Südafrika und Eritrea in Paris organisieren. Nach seiner Ankunft in Mali am heutigen Freitag will der Außenminister am Wochenende in Tschad Gespräche führen und auch Abéché im Osten des Landes besuchen, französischer Truppenstützpunkt und Ausgangspunkt der UN-Hilfe für die Darfur-Flüchtlinge im Tschad. Danach will er in die sudanesische Hauptstadt Khartum weiterreisen.

Dieser Besuch fällt in eine Zeit starken internationalen Drucks auf Sudans Regierung, im Darfur-Konflikt auf die Wünsche der internationalen Gemeinschaft einzugehen. Verschärfte US-Sanktionen gegen sudanesische Unternehmen traten letzte Woche in Kraft, und der UN-Sicherheitsrat billigte vor zwei Wochen prinzipiell einen neuen Plan für eine robuste Eingreiftruppe aus Soldaten der UNO und Afrikanischen Union (AU). Diese sogenannte hybride Truppe unter gemeinsamem Kommando wird nun Anfang kommender Woche im AU-Sicherheitsrat diskutiert, der in Äthiopien tagt. Wenn der Rat grünes Licht gibt, wird der Vorschlag zurück an den UN-Sicherheitsrat geleitet, der dann endgültig darüber entscheiden soll – nach einer Reise des Sicherheitsrats in die Region, die am Donnerstag beginnt. Mit einer Stationierung der Eingreiftruppe wird allerdings nicht mehr dieses Jahr gerechnet, hieß es aus UN-Kreisen.

In Darfur selbst dauert die Gewalt derweil an. UN-Sprecher George Somerwill sagte am Mittwoch in Khartum, seit Jahresbeginn seien in der Kriegsregion 140.000 Menschen neu vertrieben worden, 10.000 von ihnen im Mai. DOMINIC JOHNSON