Eskalation in Thailand befürchtet

Vor den von Protestlern besetzten Flughäfen ziehen sich Polizisten zusammen. Die Protestierenden wollen nicht nachgeben, die Polizei erst recht nicht. Der amtierende Premierminister Somchai Wongsawat hat seine Macht de facto schon verloren

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Den ganzen Tag war die Anspannung zu spüren: Gegen Abend dann zog bewaffnete Polizei zunächst vor dem internationalen Flughafen Suvarnabhumi auf. Das internationale Drehkreuz sowie der Inlandsflughafen Don Muang werden seit Tagen von Protestierenden der sogenannten Volksallianz für Demokratie (PAD) belagert. Diese hat derweil ihre eigenen Wachposten an den Eingängen postiert. Alles läuft auf eine Konfrontation hinaus. Die thailändische Regierung will räumen lassen.

Stundenlang hatten zuvor Polizei-Unterhändler mit der PAD verhandelt. Doch das dauerte der Regierung wohl doch zu lange: Kurzfristig feuerte Premier Somchai Wongsawat daraufhin den Polizeichef. Begründung: Dieser habe nicht rigoros genug gegen die Protestler durchgegriffen. Indes bleibt die PAD stur. Für Verhandlungen sehe er keinen Spielraum, sagte einer der Führer, der Medienmogul Sondhi Limthongkul. Die Demonstranten würden beide Flughafenareale nicht freigeben, bevor Premierminister Somchai zurückgetreten sei.

Der Premier selbst hat bisher alle Rücktrittsforderungen abgelehnt. Allerdings dürfte seine Amtszeit dennoch so gut wie zu Ende sein. Natürlich verstößt es gegen geltendes Recht, dass eine bunt zusammengewürfelte, außerparlamentarische Opposition einfach zwei Flughäfen kapern kann und damit den Luftverkehr in Bangkok lahmlegt. Das Problem: Somchai hat keine Autorität mehr, das Land zu regieren. Seine Anweisungen werden nicht mehr befolgt.

Der Dolchstoß dürfte gewesen sein, dass Somchai sich zum zweiten Mal geweigert hatte, den „Empfehlungen“ von Armeechef Anupong Paochinda nachzukommen, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen. Schon einmal hatte Thailands mächtiger Armeechef den Premier dazu aufgefordert, und das sogar live im Fernsehen: Das war kurz nach den gewalttätigen Ausschreitungen Anfang Oktober zwischen Polizei und PAD, für die Untersuchungskommissionen letztlich Regierung und Polizei verantwortlich gemacht hatten.

Der gelernte Jurist Somchai ist ein Schwager des 2006 vom Militär gestürzten Thaksin Shinawatra. Er war erst im September zum Premier bestimmt worden, nachdem sein Vorgänger Samak Sunadaravej über einen Nebenjob als Fernsehkoch gestolpert war und laut Gerichtsbeschluss deswegen von seinem Amt zurücktreten musste.

Doch Glück brachte Somchai diese Ernennung nicht. Der Premier und sein Kabinett wirkten in den vergangenen Wochen zunehmend hilflos. Die PAD verscheuchte die Regierung Ende August aus ihren Arbeitsräumen vom Regierungssitz und dann vom neuen provisorischen Standort am Flughafen Don Muang.

Nach seiner Rückkehr vom Apec-Gipfel in Peru zieht Somchai es jetzt sogar vor, im nordthailändischen Chiang Mai zu bleiben, dem Geburtsort Thaksins und Hochburg seiner Partei – offiziell aus Sicherheitsgründen. Gegen die anarchistisch anmutenden Winkelzüge der PAD kann die Regierung nicht an. Denn die Armee hat noch einmal deutlich gemacht, dass sie eine möglicherweise gewaltsame Räumung der beiden Flughäfen nicht billigen werde.

Die Weigerung der Armee, den Ausnahmezustand mitzutragen, hat mittlerweile System. Bereits Anfang September, als jeweils Anhänger und Gegner der Regierung aufeinanderprallten, hatte der damalige Premier Samak bereits versucht, die explosive Stimmung durch Verhängung des Notstands zu entschärfen. Doch Armeechef Anupong Paochinda hatte sich geweigert, gegen die PAD vorzugehen – schon gar nicht mit Gewalt.

Die Möglichkeit eines neuen Putsches schloss der Armeechef immer wieder aus. „Diese Tür ist definitiv zu!“, sagte er kürzlich vor Journalisten in Bangkok. Es bleibt aber abzuwarten, ob das Militär bei einem Ausbruch von Gewalt zwischen der Polizei und der PAD tatenlos zuschauen wird. Ein Armeesprecher sagte, für diesen Fall habe man einen Plan B.

Beobachter sprachen bereits von einem De-facto-Putsch.