Jemen will Festungen statt Schulen bauen

LOKALER KRIEG Die Armee setzt die Luftwaffe gegen schiitische Rebellen im Norden des Landes ein. Die Nachbarstaaten befürchten iranischen Einfluss, einen Zerfall des Landes und eine Destabilisierung der Region

BERLIN taz | Jemens Präsident Ali Abdullah Salih droht mit ungewöhnlichen Maßnahmen, um einer Rebellion im vernachlässigten und strukturschwachen Norden des Landes Herr zu werden. „Wir werden moderne Waffen kaufen und Festungen bauen statt Schulen“, sagte er am Mittwoch bei einer Militärzeremonie in der Hauptstadt Sanaa. „Wir werden sie (die Rebellen) ausrotten, wo auch immer und mit welchen Mitteln auch immer.“ Die Offensive der Armee trägt den Namen „Operation verbrannte Erde“. Zehn Tage nach Ausbruch der Kämpfe hat die Armee ihre Operation intensiviert, wobei sie auch die Luftwaffe einsetzt.

Schauplatz der Kämpfe ist vor allem die Region Sada, doch die Gefechte haben sich inzwischen auf Amran weiter im Süden ausgeweitet. Das ganze Gebiet ist für Journalisten und Diplomaten gesperrt. Es gibt keine verlässlichen Angaben über Tote oder Verletzte, die Zahl von Flüchtlingen schwankt zwischen 17.000 und 120.000.

Es ist bereits die sechste Runde in einem lokalen Krieg, der 2003 begann und die Folge von Demonstrationen und der Tötung des Rebellenführers Hussein al-Huthi durch Sicherheitskräfte war. Seither haben dessen Brüder die Führung übernommen. Die Aufständischen werden daher Huthi-Rebellen genannt. Die Wurzeln des Konflikts reichen jedoch weiter zurück. Die Huthi gehören zu der Herrscherfamilie der Haschemiten, deren Imame den Jemen rund tausend Jahre lang regierten, bis sie 1962 gestürzt wurden. Außerdem sind sie Saiditen, eine Strömung des Schiismus. Die Saiditen stellen im mehrheitlich sunnitischen Jemen etwa 23 Prozent der Bevölkerung von insgesamt 23 Millionen. Inzwischen gibt es eine saidistischer Erneuerungsbewegung, die sich auch gegen das Vordringen des Wahhabismus, einer strenggläubigen Variante des Islam aus Saudi-Arabien, wehrt. Für die Wahhabiten sind Schiiten Abtrünnige des wahren Islam.

Allerdings ist die Religion nur ein Aspekt. Hinzu kommen lokale, soziale und wirtschaftliche Faktoren in einem Land, dessen Regierung praktisch nur die Städte kontrolliert und weite Gebiete sich selbst überlässt. Die bergige Provinz Sana überlebt durch die Landwirtschaft in den fruchtbaren Tälern und den Schmuggel mit Saudi-Arabien.

Der große Nachbar im Norden beobachtet die jüngste Entwicklung mit Sorge. Denn Sada ist nicht das einzige rebellische Gebiet im Jemen. Im ehemals sozialistischen Süden des Landes, der 1990 mit dem Norden vereinigt wurde, werden separatistische Strömungen stärker. Gelegentlich kommt es zu Schießereien. Außerdem ist das Terrornetzwerk al-Qaida nach wie vor im Jemen aktiv. Ein Zerfall des Jemen, so die Befürchtung, könnte ein destabilisierender Faktor für die Region werden. Und da die Huthi Schiiten sind, behaupten manche wie die Regierung in Sanaa, dass der Iran hinter der Rebellion steckt. Dafür gibt es allerdings bislang keine Beweise. BEATE SEEL