Japan für historischen Wechsel

ENDE EINER ÄRA Bei den Parlamentswahlen erringt die Opposition offenbar einen deutlichen Sieg. Die Regierungspartei war seit 1955 fast ununterbrochen an der Macht

Das Votum der Wähler ist auch der letzte Schritt zu einem Zwei-Parteien-System

TOKIO dpa | Japan steht vor einem historischen Machtwechsel. Nach übereinstimmenden Prognosen hat die größte Oppositionspartei, die Demokratische Partei Japans (DPJ) unter dem Hoffnungsträger Yukio Hatoyama, bei der Wahl zum mächtigen Unterhaus des Parlaments am Sonntag einen haushohen Sieg über die regierende Liberaldemokratische (LDP) von Ministerpräsident Taro Aso errungen. Hatoyama ist damit die Wahl durch das Unterhaus zum neuen Regierungschef des Landes sicher.

Damit beendet die DPJ die seit 1955 fast ununterbrochen andauernde Herrschaft der LDP. Der LDP werden jahrelanges Missmanagement, wirtschaftliche Stagnation und ein schwerer Rentenskandal angelastet. Das Votum der Wähler ist zugleich der letzte Schritt zu einem Zwei-Parteien-System. Hatoyamas Demokratische Partei könnte laut den Wählerbefragungen nach der Stimmenabgabe auf mehr als 300 der insgesamt 480 Sitze in der mächtigen Kammer kommen. Bisher hatte sie 112. Die 1998 gegründete Partei stellt ein Sammelbecken aus LDP-Überläufern, Sozialdemokraten und früheren Gewerkschaftern dar.

Verunsichert durch die steigende Arbeitslosigkeit und die Überalterung der Gesellschaft sehnten sich viele Japaner nach einem Wandel. Hatoyama versprach, die DPJ werde die von „Bürokraten geführte unverantwortliche Politik“ der LDP-Ära beenden. Wegen ihrer intern unterschiedlichen Ansichten rechnen politische Beobachter jedoch zunächst mit komplexen Abstimmungsprozessen. Während die LDP die Interessen der Wirtschaft bediente, stellt die Demokratische Partei den Bürger ins Zentrum. Sie will vor allem denen helfen, die am stärksten von der Krise betroffen sind: Familien mit Kindern, Rentnern, Arbeitslosen und den Landwirten. So will sie das Kindergeld erhöhen, die Gebühren für höhere Schulen und Autobahnen abschaffen, Bauern ein Mindesteinkommen geben und eine Mindestrente einführen.

Das teure Ausgabenprogramm der Demokraten halten Wirtschaftsvertreter und einige Volkswirte zwar für kaum finanzierbar – zumal Japan mit fast 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts die höchste Staatsverschuldung aller Industrieländer hat. Doch immerhin würde es Geld unters Volk bringen. Manche Volkswirte gehen aber nicht davon aus, dass es zu großen wirtschaftlichen Impulsen für die zweitgrößte Volkswirtschaft kommt.

In außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht könnte es nach Auffassung von Beobachtern zu einem Paradigmenwechsel kommen. Zwar ist die DPJ in diesen Fragen bislang recht vage geblieben. Hatoyama will sich aber künftig vom Sicherheitspartner USA zumindest weniger abhängig machen lassen als bisher. Beobachter schließen daher Spannungen nicht aus. Zugleich will Hatoyama die Beziehungen zu den asiatischen Nachbarn deutlich verbessern.