Britische Labour-Partei in der Krise: Letztes Aufbäumen

Angesichts der drohenden Wahlniederlage im Mai 2010 versucht die britische Labour-Partei, sich selbst Mut zuzusprechen. Das funktioniert aber nicht mehr.

Der britische Premier Gordon Brown auf dem Labour-Parteitag in Brighton. Bild: ap

BERLIN taz | Sie war als die wichtigste Rede des britischen Premierministers Gordon Brown in seiner Laufbahn angekündigt, aber da sie auf einem der in jüngster Zeit unwichtigsten Parteitage der regierenden Labour-Partei stattfand, war ihre Wirkung begrenzt.

Die nächsten britischen Parlamentswahlen finden voraussichtlich am 6. Mai 2010 statt, und mit großer Wahrscheinlichkeit wird Labour dabei haushoch verlieren. Die Partei hat sich auf diesem letzten Parteitag vor der Wahl nicht entscheiden können, ob es darum gehen sollte, die Niederlage noch abzuwenden oder sich konzeptionell schon auf Opposition einzustellen. Der müden, ausgelaugten Parteibasis ist nach Letzterem zumute. Die ebenso müden und ausgelaugten Parteistrategen wünschen sich das Gegenteil, wissen aber nicht, wie.

"Wir haben die Welt schon einmal verändert, und wir werden sie wieder verändern!", lautete Browns Kampfaufruf in seiner einstündigen Rede vor den Labour-Delegierten im südenglischen Seebad Brighton am Dienstagnachmittag. Demnach hat das Verändern beim ersten Mal nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Als Wahlwerbung taugt diese Erkenntnis wenig. Immer wieder beschwor der Premier, bei der nächsten Wahl gehe es um "die größte Richtungsentscheidung seit einer Generation".

Der historische Labour-Wahlsieg von 1997, der achtzehn Jahre Konservatismus beendete und Tony Blair triumphal an die Macht brachte, ist aber höchstens eine halbe Generation her, also ist er längst nicht so wichtig für das Land wie die drohende Labour-Wahlniederlage von 2010. Auch dies ist als Aufmunterung der Basis nicht optimal. 45-mal in einer Stunde sprach Brown von "change", so als sei er schon in der Opposition. Am meisten Beifall bekam er für eine konservative Forderung: "unsere Jungs" in Afghanistan zu unterstützen.

Der Star des heute zu Ende gehenden Parteitags war nicht Gordon Brown, sondern Peter Mandelson, lange Zeit die unbeliebteste Figur in der Labour-Führungsriege, als skrupelloser "Prinz der Finsternis" geschmähter Strippenzieher der Labour-Modernisierung. Dass Brown, während seiner Amtszeit als Finanzminister unter Tony Blair mit Mandelson tief verfeindet, ihn vor ziemlich genau einem Jahr in seine Regierung zurückholte, war eine für diesen Premierminister typisch undechiffrierbare Mischung aus Mut und Verzweiflung, aus Selbstüberwindung und Selbstmord.

Mandelson, der faktisch das Amt des Vizepremiers ausübt und nach Meinung mancher mächtiger ist als sein Chef, begeisterte die Delegierten am Montag mit einer selbstironischen Rede: Wenn er, Mandelson, das Comeback geschafft habe, dürfte die Partei als Ganzes das erst recht schaffen; und man dürfe die Konservativen nicht wegen ihrer aalglatten Außenwerbung verurteilen - "was könnte ich daran kritisieren", so Mandelson -, sondern weil hinter der Werbung keine Substanz stecke. Anders als bei Labour, so die zur Forderung gewandelte Folgerung.

Die Labour-Hülse mit neuer Substanz zu füllen - das ist die Herausforderung der britischen Linken für die nächsten Wahlen, die vielen Aktivisten inzwischen doch etwas zu unrealisierbar erscheint. Denn die Partei liegt in den britischen Umfragen genau da, wo die deutsche SPD bei der Bundestagswahl gelandet ist: 23 Prozent, stabil.

Labour habe "den Lebenswillen verloren", sagte dazu Finanzminister Alistair Darling am Wochenende vor Konferenzbeginn. Hat sie ihn jetzt wiedergefunden? Ein Times-Internetkolumnist berichtet, zu fortgeschrittener Stunde in der Nacht zu gestern habe immerhin Kulturminister Ben Bradshaw am Klavier der Bar des Grand Hotel die angeheiterten Delegierten zum Mitsingen animiert. Zum Beispiel zur Melodie von "American Pie": "Bye-bye, Labour government cry."

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