Umweltschützer droht ein neuer Prozess

TURKMENISTAN Anklage gegen Wissenschaftler, der selbst auf einem Markt angegriffen worden war, lautet auf versuchte Körperverletzung. Menschenrechtler: Verfahren deutet auf härteren innenpolitischen Kurs hin

VON BERNHARD CLASEN

Gegen den bekannten russisch-turkmenischen Umweltschützer und Reptilienforscher Andrej Zatoka, der am Dienstag vergangener Woche in seiner Heimatstadt Daschogus in Turkmenistan verhaftet worden war, ist Anklage wegen versuchter Körperverletzung erhoben worden. Nachdem Zatoka auf einem Markt von einem Unbekannten tätlich angegriffen worden war, war er festgenommen worden. Der Angreifer hingegen sei weiter auf freiem Fuß.

Dies berichtet die russische Menschenrechtsorganisation Memorial. Bereits am kommenden Donnerstag soll der Prozess gegen den Umweltschützer beginnen. Das Datum sei geschickt gewählt, so Swjatoslaw Zabelin von der Sozial-Ökologischen Union, der größten Umweltorganisation der früheren Sowjetunion. Da in der gleichen Woche die Feierlichkeiten zum Tag der Unabhängigkeit seien, sei kaum davon auszugehen, dass Vertreter anderer Staaten in dieser Woche mit Kritik an der Verhaftung eines Umweltschützers bei den Behörden des Landes für Unmut sorgen würden.

Bereits im Dezember 2006 war der Umweltschützer erstmals in Turkmenistan verhaftet worden. Damals war Zatoka illegaler Besitz von Waffen und Giftstoffen vorgeworfen worden. Doch der Wissenschaftler ist zum Besitz bestimmter Tiergifte und leichter Waffen berechtigt. Anfang 2007 wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Unter anderen hatten sich Amnesty International und Greenpeace für ihn eingesetzt.

Trotzdem wurde der Wissenschaftler weiter drangsaliert. Mehrfach, so Zatoka in einem Brief aus dem Jahre 2008 an die Staatsanwaltschaft, hätten Angehörige der Staatssicherheit rechtswidrig seine Wohnung durchsucht und seine Mitarbeiterin unter Druck gesetzt. Seit 2006 dürfe er die Republik nicht mehr verlassen. Zatokas Familie lebt wieder in Russland.

Die erneute Verhaftung von Zatoka, so Vitali Ponomarew von Memorial, zeige, dass der turkmenische Präsident Gurbanguly Berdymuchamedows innenpolitisch wieder einen härteren Kurs fahre. Dies sei auch eine Folge der zunehmend leiser werdenden Kritik des Westens am turkmenischen Regime. Dieser, so Ponomarew, interessiere sich vor allem für einen günstigen Zugang zu den turkmenischen Energiequellen.

Andrej Zatoka und seine Frau Ewgenija waren 1982 nach ihrem Biologiestudium von Russland nach Turkmenistan gezogen, wo sie zehn Jahre im Nationalpark Kaplankyrsk arbeiteten. Nach ihrer Entlassung aus dem Naturpark 1992 gründeten sie in mehreren Städten Turkmenistans Umweltgruppen. Seit 1992 ist Andrej Zatoka Vorstandsmitglied der Sozial-Ökologischen Union.