Polizei statt Papiere

FRANKREICH Zentrum der „Papierlosen“ geräumt. Minister will administrativ abschieben dürfen

Ganze Branchen sind auf die Arbeitnehmer ohne rechtlichen Status angewiesen

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Ein von „Sans-Papiers“ („Papierlosen“) besetztes Haus an der Rue du Regard in Paris ist am Donnerstag von der Polizei geräumt worden. Die Beamten gingen brutal vor, wie Abdallah, einer der „Evakuierten“, bezeugt: „Als der Chef der Polizei merkte, dass wir nicht freiwillig gehen, schickte er seine Leute mit Tränengas und Knüppeln auf uns. Einer von uns brach sich ein Bein.“ Das Gebäude, das einem Fonds für Weiterbildung des Baugewerbes gehört, hatten 250 überwiegend afrikanischen Besetzer in ein Zentrum der Bewegung zur Legalisierung von Immigranten ohne gültige Papiere verwandelt. Mit Transparenten machten sie seit dem 15. Dezember auf ihre Situation aufmerksam: Sie arbeiten oft schon Jahre ohne rechtlichen Status in Frankreich. Die meisten zahlen Steuern und Sozialbeiträge. Eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verweigert ihnen aber die sukzessive verschärfte Ausländerpolitik.

Mit Unterstützung der CGT-Gewerkschaft und anderer Organisationen weisen die Papierlosen mit Streiks, Betriebsbesetzungen und Demonstrationen auf ihre Lage hin. Sie fordern, dass die aus behördlicher Sicht illegal in Frankreich lebenden und arbeitenden Ausländer legalisiert werden. Da sie heute gezwungen sind, im Untergrund in ständiger Angst vor Abschiebung zu leben, werden sie als wehrlose Arbeitskräfte besonders ausgebeutet. Ganze Branchen könnten ohne sie nicht auskommen: Reinigungsfirmen, Wachdienste, die Kleiderkonfektion, das Gastgewerbe und die Bauwirtschaft beschäftigen unzählige Immigranten ohne Papiere. Die Regierung beantwortet Legalisierungsgesuche nur punktuell, verschärfte aber vor allem den Kampf gegen illegale Immigration und drohte – bisher ohne Ergebnisse – Arbeitgebern, die wissentlich „Illegale“ einstellen, mit härteren Sanktionen.

Die Regierung drängt die Polizei, mehr „Klandestine“ auszuweisen, das Plansoll für 2010 lautet 30.000. Da Ausweisungen oft an Einsprüchen oder Formfehlern scheitern, will Immigrationsminister Eric Besson nun die Prozedur beschleunigen. Künftig sollen aufgegriffene „Klandestine“ auf rein administrative Weise, also ohne Entscheid eines Richters, abgeschoben werden können. So könnte der Minister Besetzer, die auch noch als Arbeiter ihre Rechte einfordern, umgehend ausfliegen lassen.

Eine solche Verschärfung der prekären Lage ausländischer Arbeiter, die oft legal eingereist waren und erst später in den Mühlen der Bürokratie zu „Papierlosen“ wurden, stößt auf Widerstand. Nahe der Rue du Regard beteiligten sich hunderte Mitglieder von Linksparteien sowie Prominente an einer Solidaritätskundgebung.