Kampf um Gaddafis Heimatstadt Sirte

LIBYEN Vor einem erwarteten Großangriff fliehen Tausende aus der Stadt. Versorgung ist schwierig

SIRTE/BERLIN afp/dpa | In der seit Wochen umkämpften Heimatstadt des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi spitzt sich die Lage für die Bewohner zu. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) berichtete am Wochenende, zahlreiche Menschen in Sirte müssten wegen fehlender medizinischer Versorgung sterben. Nach Angaben von Medizinern steht offenbar ein groß angelegter Angriff auf das Stadtzentrum von Sirte bevor.

IKRK-Teamchef Hichem Chadraui berichtete nach einem Besuch in der Küstenstadt, wegen Mangels an Sauerstoffflaschen und Treibstoff für Notstromgeneratoren müssten viele Patienten des Krankenhauses in Sirte sterben. Die Lage vor Ort sei „schrecklich“. Bei den Kämpfen zwischen Gaddafi-Anhängern und Kämpfern der neuen libyschen Führung seien mehrere Geschosse in dem Krankenhaus eingeschlagen. Am Montag brach ein weiteres IKRK-Team nach Sirte auf, um zwei Lkw-Ladungen mit dringend benötigten medizinischen Gütern sowie Nahrungsmittel zu liefern. Der Chefarzt eines Feldhospitals westlich von Sirte berichtete derweil, die Militärkommandeure der neuen libyschen Führung planten für Montag einen Großangriff auf die Stadt: „Sie haben mir gerade gesagt, dass sie heute hereingehen, um Sirte zu erobern“, sagte Chefarzt Muad Ben Sasi. In dem Feldhospital wurde in Erwartung zahlreicher Verletzter ein neues Behandlungszelt aufgebaut. Hunderte Bewohner flohen am Wochenende aus Sirte. Die Kämpfer des Nationalen Übergangsrats (NTC) eroberten derweil nach eigenen Angaben bis Montag weite Teile von Gaddafis mutmaßlichem Geburtsort Kasr Abu Hadi.

Unterdessen gibt es weitere Informationen über die Ende August von Rebellen in einer Gaddafi-Residenz gefundenen deutschen G36-Sturmgewehre. Sie gelangten nach Herstellerangaben offenbar illegal von Ägypten nach Libyen. Die Bundesregierung habe dem Hersteller Heckler & Koch 2003 Exportgenehmigungen für 608 Sturmgewehre und Munition erteilt, schreibt die Bild am Sonntag. Eine Sprecherin des Unternehmens habe das Geschäft bestätigt und unterstrichen, dass die Lieferung nach Ägypten legal erfolgt sei. Wie die Waffen von dort weiter in die Gaddafi-Residenz in Tripolis gelangen konnten, bleibe unklar.