Kommentar: Wie der Herr, so's Gescherr

Die Polizei ermittelt gegen ein Insassen des Abschiebeknastes in Grünau, weil er einen "Nazi-Gruß" gezeigt haben soll.

Erster Fall: Ein junger Mann verwendet einen Nazi-Gruß. Die Polizei lässt das nicht durchgehen und leitet umgehend ein Ermittlungsverfahren ein. Bravo, möchte man da rufen. Kein Fußbreit den Faschisten! Zweiter Fall: Im Abschiebeknast kommt es mal wieder zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung zwischen Wachpersonal und einem Häftling. Die Polizei lässt das nicht durchgehen und leitet sofort ein Ermittlungsverfahren ein. Super! Jetzt sind beide Fälle zusammengekommen - und man kratzt sich ratlos am Kopf.

Ein im Abschiebegefängnis Grünau einsitzender 30-jähriger Algerier hat einem Polizeiangestellten gegenüber einen verbalen "Nazi-Gruß" verwendet. Das sei "unhöflich und strafbar", teilte die Polizei am Mittwoch mit. Der Staatsschutz habe Ermittlungen wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aufgenommen. Welche Worte genau der Häftling benutzte, wollte die Polizei nicht sagen. Auf Nachfrage teilte die Polizei mit, es sei nicht auszuschließen, dass es sich dabei um eine Provokation gegenüber dem Polizeiangestellten gehandelt habe. Der Vorfall soll sich am Dienstagabend in Anwesenheit dreier weiterer Zelleninsassen ereignet haben. EPD, TAZ

Unhöflich ist es nach Ansicht der Polizei, wenn der Insasse eines Abschiebeknasts das Wachpersonal mit "Heil Hitler", "Sieg Heil" oder Ähnlichem begrüßt. Und da hat die Polizei absolut recht. Es ist allerdings auch unhöflich, wenn ein Staat Menschen hinter Gitter steckt, bloß weil er ihre Anwesenheit illegal nennt. Und es ist daher nachvollziehbar, dass Insassen eines Abschiebeknasts auf die Idee kommen, die dortigen Verhältnisse mit denen im Nationalsozialismus zu verwechseln. Auch wenn es da selbstverständlich riesengroße Unterschiede gibt. Gerade deshalb sollte die Polizei eine solche Provokation locker wegstecken können.

Stattdessen nutzt sie ihr ganzes Repertoire, schießt mit Kanonen auf Spatzen, brüstet sich damit in aller Öffentlichkeit und verstärkt so das weit verbreitete Vorurteil vom kriminellen und damit bösartigen Ausländer.

Selbst dies wäre mit ganz viel Verständnis für die sicher nicht leichte Arbeit eines Knastaufsehers irgendwie nachvollziehbar, wenn es nicht auch noch diese Geschichte gäbe: Vor wenigen Jahren berichteten Häftlingen aus Grünau, sie müssten das dortige Personal mit "Master" anreden, damit es überhaupt auf eine Ansprache reagiere. Von irgendwelchen darob eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen beteiligte Polizisten hat man bis heute leider nichts gehört.

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