streiktagebuch einer busfahrerin
: „Zu Hause bleiben ist nicht“

Sabine Bulla, 44, fährt seit 21 Jahren Bus bei der BVG. Die Alleinerziehende ist Mutter von 16-jährigen Zwillingen und bereitet sich auf den ersten Streik seit 17 Jahren vor.

„Ich fahre sehr gerne Bus. Immer noch, muss man sagen. Die vielen Übergriffe auf Busfahrer sind doch ein Unding. Ich bin auch schon oft angemacht worden, aber – toi, toi, toi – nur verbal.

Es gibt Tage, da denkt man, mein Gott, sind die Leute heute alle ein bisschen bescheuert oder was? An anderen Tagen sind alle auf einmal total nett und freundlich, bedanken sich, winken einem beim Aussteigen zu. Da kommt richtig was rüber.

Im Moment fahre ich gerade den M 85 vom Hauptbahnhof nach Lichterfelde Süd. Gerne fahre ich mit dem M 19 über den Ku’damm. Was man da für Leute sieht! Die haben alle ein bisschen mehr Kohle in der Tasche. Das ist schon lustig, in was für Klamotten die zum Teil rumlaufen.

Durch Schöneberg, Kreuzberg und Neukölln fahre ich nicht so gerne. Die Jugendlichen verhalten sich beim Einsteigen manchmal ziemlich provokativ. Die denken sich, mit ’ner Frau können’ses erst recht machen. Aber da sind sie bei mir an der falschen Adresse.

Hoffentlich können wir mit dem Streik was durchsetzen. Ich bin alleinerziehend. Die Lebensmittel, die Versicherung, alles wird teurer. Aber ich habe auch Mitleid mit den Fahrgästen. Ich weiß, wie schwierig ein Streik ist. Meine Kinder müssen ja jetzt auch zusehen, wie sie zur Arbeit kommen.

Trotzdem ist es richtig, dass gestreikt wird. Seit 2001 gab es keine Gehaltserhöhung mehr. Zu Hause bleiben ist nicht. Man muss das ja auch vertreten. Das werde ich auf dem BVG-Betriebshof in der Cicerostraße tun. Dann kann man sich endlich mal wieder in Ruhe mit den Kollegen austauschen. Das ist an den Endstellen ja nicht mehr möglich, weil die Haltezeit zu kurz ist. Wenn der eine ankommt, muss der andere schon losfahren.

So, meine Pause ist jetzt auch zu Ende. Ich muss weiter. Also tschüss einstweilen.“

PROTOKOLL: PLUTONIA PLARRE

Die taz wird Sabine Bulla durch den BVG-Streik begleiten