Holocaustmahnmal für Sinti und Roma: Endlich Baubeginn

Heute beginnt der Bau des Mahnmals für die in der Nazi-Zeit ermordeten Sinti und Roma. Damit endet auch ein Streit zwischen Opferverbänden, der das Denkmal jahrelang verzögert hat.

KZ Haeftling Hans Bonarewitz, links, auf dem Weg zu seiner Hinrichtung im KZ Mauthausen. Nach den Angaben der "Gedenkstaette Deutscher Widerstand" musste die Haeftlingskapelle Bonarewitz mit Musik zu seiner Exekution begleiten. Bonarewitz ist einer von de Bild: AP

Ein großer rund geformter Brunnen, mit einer klaren Fassung versehen, das Wasser ruhig, dunkel, fast schwarz. Und aus dem Totensee heraus erwächst eine meterhohe Granitstele. Dani Karavans Mahnmal für die in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma, dessen Bau im Tiergarten am heutigen Freitag beginnt, wird ein würdevolles und stilles Zeichen der Erinnerung werden. Ob damit endlich auch Frieden einkehrt zwischen den Kampfhähnen des Mahnmals, ist eine vage Hoffnung. Bis dato steht der geplante Brunnen jedenfalls nicht für ein gelungenes Beispiel in der Gedenkkultur Berlins.

Nach langen Jahren des Streits zwischen dem Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland, der Sinti-Allianz sowie dem Bund um das Mahnmal, seine Form und die Inschriften wird nun zwar gebaut. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geben sich die feierliche Ehre auf dem Gelände gegenüber dem Reichstag und erinnern an den am 16. Dezember 1942 von SS-Chef Heinrich Himmler unterzeichneten "Auschwitz-Erlass". Sie gedenken der europaweit hunderttausenden Sinti und Roma, die in den Gaskammern der deutschen Konzentrationslager umgebracht wurden.

Damit hat es sich aber im Wesentlichen mit den guten Nachrichten, selbst wenn Neumann jetzt von "breiter Zustimmung" aller Beteiligten inklusive der Opferverbände für das Mahnmal und seine Inschriften spricht. Beim Begleit- und Denkmaltext seien die Anregungen der Verbände von Sinti und Roma sowie der Sinti-Allianz "weitestgehend aufgenommen worden", so der Staatsminister. Ob das "weitestgehend" reicht, die Gräben der vergangenen Schlachten zuzuschütten, wird die Zukunft zeigen - und man kann dabei seine Zweifel haben. Zu tief waren und sind die Gegensätze noch immer.

1992 hatte die damalige Bundesregierung den Beschluss gefasst, dass ein Mahnmal zur Erinnerung an den Holocaust der Sinti und Roma errichtet werden soll. Der Bund und später der Bundesrat sprachen sich für den Bau aus. Für die Gedenkstätte stellte der Kulturstaatsminister zwei Millionen Euro zur Verfügung, das Land Berlin das Grundstück im Tiergarten.

Doch statt zu bauen begann ein Gezänk, das tiefe Wunden hinterlassen hat. Der Streit ging so weit, dass das Projekt nicht nur verzögert, sondern mehrfach gefährdet war. So konnten sich beide Verbände jahrelang nicht über die Gestaltung einigen. Hauptstreitpunkte waren darüber hinaus die Inschriften und die Berücksichtigung eines Zitats von Altbundespräsident Roman Herzog, in dem dieser den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma mit dem Holocaust an den Juden nahezu gleichgestellt hatte.

Die Sinti-Allianz als Vertreter nicht nur der deutschen Sinti, sondern auch anderer Gruppen fühlte sich durch die Fokussierung der Inschriften auf die Sinti und Roma ausgegrenzt. Sie forderte daher, dass explizit der Begriff Zigeuner in dem Widmungstext erscheinen müsse - was der Allianz prompt einen Diskriminierungsvorwurf einbrachte.

Der jetzige Kompromiss sieht vor, dass eine Gedenktafel in der Nähe des Brunnens die Verfolgung der Sinti und Roma sowie der weiteren europäischen Zigeunergruppen dokumentiert und dies um das Herzog-Zitat ergänzt wird. Romani Rose vom Zentralrat der Roma und Sinti in Deutschland und Natascha Winter von der Sinti-Allianz haben sich zudem darauf geeinigt, dass Zeilen des italienischen Roma-Musikers Spinelli den Brunnenrand zieren: "Eingefallenes Gesicht/ erloschene Augen/ kalte Lippen/ Stille /ein zerrissenes Herz/ ohne Atem/ ohne Worte/ keine Tränen", heißt es in dem Gedicht "Auschwitz".

Wem das alles nicht so gefällt, ist jetzt der Künstler. Der 77-jährige Karavan sagte, seine Idee war eigentlich, das Denkmal so schlicht wie möglich zu gestalten. Jetzt sei nur ein Kompromiss herausgekommen. Immerhin. Und der wird sogar gebaut. Wenn das kein Fortschritt ist!

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