Schlechtes Gewissen

TU will Nazi-Unrecht an ihrer Hochschule aufarbeiten: Forscher suchen nach vertriebenen Wissenschaftlern

Die Technische Universität Berlin sucht nach Wissenschaftlern, denen sie zur Zeit des Nationalsozialismus Unrecht zugefügt hat. Es gehe um Menschen, die zwischen 1933 und 1945 an der damaligen Technischen Hochschule Berlin forschten – und aus „rassischen“ oder politischen Gründen vertrieben wurden. Die Hochschule wolle damaligen Wissenschaftlern, denen zum Beispiel der Doktorgrad verweigert oder entzogen wurde, nachträglich „Würde und Anerkennung“ zukommen lassen, teilte die TU mit.

Da der größte Teil des Hochschularchivs im Krieg verloren ging, sei die Uni dabei auf Hilfe von Betroffenen, Angehörigen oder Freunden angewiesen. Für die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels hat die TU das Forschungsprojekt „Vertriebene Wissenschaft“ am Zentrum für Antisemitismusforschung ins Leben gerufen.

Dass „nichtarische“ Professoren per Nazi-Gesetz vertrieben wurden, ist lange bekannt. Weniger erforscht aber sind die Diskriminierungen des wissenschaftlichen TU-Personals. Anlass für die späte Suche der heutigen Wissenschaftler ist die Lebensgeschichte des hochbetagten New Yorker Ingenieurs Dimitri Stein, Jahrgang 1920. Freunde von ihm wandten sich 2008 an die TU, weil Stein 1943 die Zulassung zum Promotionsverfahren im Fachbereich Elektrotechnik verweigert worden war. Begründung: ein jüdisches Elternteil. Im vergangenen November holte Stein seine Promotion auf Einladung der TU erfolgreich nach – mit 65 Jahren Verspätung.

Den TU-Antisemitismusforschern ist klar, dass sie mit ihrer Suche sehr spät dran sind. Doch sie interessieren sich auch für die Lebensgeschichten bereits gestorbener TU-Angehöriger, denen in der NS-Zeit Unrecht geschah. Eine posthume Ehrung sei nicht ausgeschlossen. DPA, ROLA

Kontakt: Zentrum für Antisemitismusforschung, Telefon: (0 30)-3 14- 2 58 51