Grüne pflegen den Starkult

WAHLKAMPF II Auch wenn die Kandidatur niemand offiziell bestätigen will: Die Grünen freuen sich längst auf Künast. Nun wird am Wahlprogramm gebastelt

Schweigen auf der einen Seite, Vorfreude auf der anderen: Einen Tag nach Bekanntwerden der Spitzenkandidatur von Renate Künast für die Abgeordnetenhauswahl 2011 zeigten sich die Berliner Grünen nach außen schweigsam – intern aber freudig aufgeregt.

„Wenn so eine gute Frau für uns anträte, würde ich mich wahnsinnig freuen“, sagte Heidi Kosche, Kreuzberger Grünen-Abgeordnete. Künast stehe für einen offenen, partizipativen und erklärenden Regierungsstil, „völlig konträr zur aktuellen Basta-Politik“. Als Wahlkämpferin sei sie „fleißig, überzeugend und überall“. Rechtspolitiker Dirk Behrendt betonte Künasts Popularität: „Wir werden darauf bauen können, dass sie bei den Berlinern so beliebt ist.“ Auch Innenexperte Benedikt Lux freute sich: „Renate Künast ist Berlinerin und passt vom Profil und Gefühl genau hierher.“ Sie sei eine Anpackerin, „die ackert und den Karren aus dem Dreck zieht“.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass Künast am 5. November, zwei Tage vor dem Grünen-Landesparteitag, ihre Kandidatur verkünden wird – auf einem „erweiterten Mitgliederabend“ im Museum für Kommunikation. Die Nachricht habe „keine bemerkenswerten Reaktionen“ unter den Mitgliedern ausgelöst, behauptete Grünen-Landeschefin Irmgard Franke-Dressler. Wohl aber seien zu dem Abend „mehr Mitglieder als sonst“ zu erwarten. Auch weil es in allen Bezirken einen „unglaublichen Mitgliederzuwachs“ gebe. Erstmals habe man die 4.500-Mitgliedermarke geknackt, so Franke-Dressler. „Wir freuen uns alle auf den 5. November“, sagte auch Co-Landeschef Stefan Gelbhaar. Im Bundestagsbüro von Künast wird unterdessen weiter nur bestätigt, dass die 54-Jährige an dem Abend sprechen wird. Ein Dementi zur Kandidatur lässt Künast allerdings weiter vermissen.

Dass Künast, aktuell Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, nur in die Landespolitik wechselt, wenn sie Regierende Bürgermeisterin wird, wollte kein Grüner bestätigen – oder dementieren. „Das ist kein Thema. Wichtig sind inhaltliche Fragen und ein vernünftiges Wahlprogramm“, so Franke-Dressler. Lux hätte Verständnis für diesen Schritt: „Wir brauchen die besten Köpfe auf den besten Plätzen.“ Dass die SPD jetzt mosere, sei „lächerlich“. „Es ist doch gerade Wowereit, der von Bundesambitionen träumt.“ Für Kosche zählt nur, dass Künast ihre Entscheidung im Vorhinein ehrlich transparent machen müsse. Landesgeschäftsführer André Stephan sieht die SPD-Angriffe als Ablenkungsmanöver „von ihrer eigenen Untätigkeit“.

FU-Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer sieht das mögliche Künast-Manöver kritisch. „Sie sollte sich ganz zu Berlin bekennen.“ Alles andere wäre „nicht hilfreich“. „Die Grünen müssen jetzt einen personalisierten Wahlkampf machen, so dass die Frage für die Wähler ist: Künast oder Wowereit.“

Nach der Künast-Entscheidung wollen die Grünen jetzt am Wahlprogramm feilen. Das Papier wird unter den Leitlinien „wirtschaftlich, ökologisch, sozial“ erarbeitet und soll im März verabschiedet werden. Ein neunköpfiges Team leitet die Arbeit, darunter die Künast-Vertrauten Peter Siller und Andreas Schulze. Letzterer weiß auch Wahlkämpfe zu inszenieren: Er organisierte die Kampagne von Joachim Gauck zur Bundespräsidentenwahl. KONRAD LITSCHKO