… DER BERLINER KARNEVAL?
: Schier unsichtbar feiern

In der Hauptstadt seien die Jecken los, war jetzt bei einer Nachrichtenagentur zu lesen. Und dass am kommenden Sonntag bis zu einer Million Zuschauer zum Karnevalszug erwartet würden. Aha. Bloß komisch, dass von den angeblich los seienden Jecken am Mittwoch so gar nichts auf den Straßen der erwähnten Hauptstadt zu sehen war. Und dann die Sache mit den Zuschauern. Auch 2010 guckte angeblich eine Million zu. Das ist, grob gerechnet, jeder und jede Dritte in Berlin. Eine Umfrage in der mehr als dreiköpfigen Berlin-Redaktion der taz ergab, dass noch nie jemand beim hiesigen Karneval war und auch niemanden kennen wollte, der da war. Aber vielleicht ist das so wie beim Playboy, den angeblich auch niemand liest, außer in gut sortierten Wartezimmern, der aber trotzdem Auflage macht.

Nach gestriger Ankündigung soll der diesjährige Umzug ab 12.11 Uhr vom Ernst-Reuter-Platz an der Gedächtniskirche vorbei zum Tauentzien führen. Aber gefühlt stellt es sich so dar, dass der Karneval in Berlin allein in der „Ständigen Vertretung“ am Schiffbauerdamm stattfindet, der Berliner Außenstelle dessen, was man im Rheinland für Lebenskultur hält.

Was ist es also, das den hiesigen Karneval zu einem randständigen Phänomen macht? Ein Blick ins Lexikon hilft wie üblich weiter: „Als K. bezeichnet man verschiedene Bräuche, mit denen in der Zeit vor dem Aschermittwoch in Ausgelassenheit, Fröhlichkeit und überschäumender Lebensfreude gefeiert wird“, heißt es bei Wikipedia. Fröhlichkeit, überschäumende Lebensfreude? In Berlin, der Stadt der Motzer, Anraunzer und Autoanzünder? Zugegebenermaßen wird auch in Köln abgefackelt. Aber da muss kurz vor Aschermittwoch nur eine Strohpuppe namens Nubbel dran glauben. STA Foto: ap