Jugenprojekt in Neukölln: Finanzloch vorerst gestopft

Die Neuköllner BVV nimmt die Kündigung der Jugendhilfeprojekte wie erwartet zurück. Wie es 2012 weitergeht, entscheidet sich erst nach den Wahlen im September.

Hat immer mit allem zu tun: Bezirksbürgmeister Heinz Buschkowsky (SPD) Bild: dpa

Am Mädchentag im Kindertreff "Waschküche" in Süd-Neukölln müssen die Jungs des Plattenbauviertels draußen bleiben - sie vergnügen sich derweil vor dem Gebäude mit einer Wasserbombenschlacht. Über 40 Kinder kommen jeden Tag hierher - zwei Mitarbeiter betreuen sie auf 80 Quadratmetern. "Wir leisten hier nicht nur Jugendbetreuung, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Integration", sagt die Leiterin des Treffs, Natalia Weimann. Das Viertel beherbergt ihren Schätzungen zufolge ungefähr 8.000 Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichsten Migrationhintergründen. "Die Arbeit des Treffs ist hier unbedingt notwendig", sagt Uwe, Vater eines der Kinder. "Sonst sitzt mein Kind auf der Straße", meint eine Mutter.

Dieses Szenario stand kurz bevor, nachdem das Bezirksamt vor zwei Wochen die Verträge von mehr als 60 Jugendhilfeprojekten und Schulstationen gekündigt hatte. Eine Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Neukölln beschloss jedoch am Mittwoch vorerst eine Weiterführung der präventiven Jugendhilfe im Bezirk. Vor dem Gebäude hatten sich rund 300 Kinder, Jugendliche und Mitarbeiter der Sozialprojekte versammelt, um gegen die Kündigungen zu protestieren.

Die waren angesichts eines Haushaltsdefizits ausgesprochen worden, das durch das Jugendamt von Neukölln im Bereich der Hilfen zur Erziehung (HzE) verursacht wurde (taz berichtete). Mit der Kündigung der Verträge wollte das Bezirksamt ein drohendes Finanzloch von rund 4,1 Millionen Euro stopfen. Die BVV entschied nun, dass die Lasten zum Ausgleich für das laufende Jahr auf mehrere Abteilungen des Bezirks verteilt werden. Insgesamt 800.000 Euro soll das Jugendamt dazu beitragen, so der Verordnete Lars Oeverdieck (SPD). Der Rest komme aus anderen Bereichen, wie dem Bauamt oder der Abteilung Soziales.

Der Abzug der Gelder aus dem Jugendamt bedeutet laut Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne) einen Personalabbau von 60 bis 70 Personen im Bereich der kommunalen Jugendarbeit.

Das eigentliche Problem sei aber allgemeiner: "Die Hilfen zur Erziehung waren in den letzten Jahren immer unterausgestattet", sagt Vonnekold. Deshalb lag das Jugendamt von Neukölln laut der Stadträtin schon 2009 mit 9 Millionen Euro über dem Haushalt. 2010 wurde der finanzielle Rahmen eingehalten. Diese Schwankungen kämen durch die schwere Kalkulierbarkeit der Ausgaben zustande. Sie richteten sich nach den konkreten Fällen, auf deren Betreuung ein rechtlicher Anspruch besteht.

Deshalb waren viele Beschäftige der Sozialprojekte über die Kündigungen verwundert. Das Problem sei dort schon aus den vergangenen Jahren bekannt, sagt Elfi Witten, Sprecherin der LIGA-Wohlfahrtsverbände. Sie erklärt, dass andere Bezirke ihre HzE-Mittel zum Jahresende 2010 weit über dem Neuköllner Niveau überzogen hatten - darunter Spandau, Pankow und Tempelhof-Schöneberg. "Neukölln liegt mit 4,2 Millionen Mehrausgaben für HzE im Mittelfeld", so Witten weiter.

Nach der BVV-Entscheidung werden die Verträge für das laufende Jahr weitergeführt. Eine Planungssicherheit über 2011 hinaus sei dabei nicht erzielt worden, sagte Witten. Wie es 2012 weitergehe, könne erst die nach den Wahlen im September neu zusammengesetzte BVV beschließen, sagt Oeverdieck. Er befürwortet Überbrückungsverträge, die den Projekten eine Planungssicherheit bis April des nächsten Jahres geben. Dringend notwendig sei eine bessere Kalkulation. Oeverdieck will vor der Verteilung der Gelder die Effizienz der Projekte bewerten lassen.

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